Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

IN BEQUEMER LOGE 91 
den Eindruck. Oh, die schönen Bülowjahre!““ Der Ilistoriker Oncken 
schrieb mir um dieselbe Zeit, eingehende Beschäftigung mit der Geschichte 
der Nationalliberalen Partei und ihres Führers Bennigsen, dessen Lebens- 
bild er mir überreichte, lasse ihn immer mehr erkennen, daß ich recht hätte, 
wenn ich ihm bei meinem Rücktritt geschrieben habe, daß von der Po- 
litisierung der Liberalen und von der Modernisierung der Konservativen 
unsere innerpolitische Zukunft abhänge. Der Verlauf der äußeren und 
inneren Angelegenheiten im Deutschen Reich und in Preußen seit meinem 
Rücktritt lenke bei manchem besorgten Mann den Blick mit einer Art 
von Sehnsucht nach Rom. 
Der freisinnige Professor und Abgeordnete Schulze-Gaevernitz be- 
dauerte, daß sowohl in der Ostmarkenpolitik wie in der Behandlung der So- 
zialdemokratie meinem Nachfolger meine Hand fehle— „kurz: mehr Bülow!“ 
Mein ehemaliger Personaldezernent Fürst Lichnowsky schrieb über Beth- 
mann: „Seine Biederkeit und Ehrlichkeit haben ihm Freunde gewonnen. 
Er rührt aber mehr, als daß er imponiert.‘‘ Lichnowsky, der sich nach einer 
Botschaft sehnte, war kein strenger Kritiker für den amtierenden Reichs- 
kanzler. Aber auch der ganz unabhängige Fürst von Hohenlohe-Oehringen 
schrieb: „Sie können nach den früher nie endenden Plackereien nunmehr 
wie von einer bequemen Loge die Ereignisse des Welttheaters beobachten 
und dabei die Genugtuung haben, zu schen, wie richtig der Weg war, den 
Sie uns einst geführt, während wir jetzt leider mit Bangen in die Zukunft 
blicken müssen.“ Der Berliner Korrespondent der „Kölnischen Zeitung“, 
Herr von lIuhn, hatte mir schon vor dem schlechten Ausfall der Wahlen 
geschrieben: Bethmann treibe in jeder Richtung eine Kunktator-Politik 
und scheine zu glauben, daß ihm irgendein Wunder helfen würde. Er täte 
nichts, um einer offenbar sehr gefährlichen Entwicklung der Dinge entgegen- 
zuarbeiten. Das liege daran, daß er trotz ethischer und philosophischer 
Überzeugungen aus der Haut des preußischen Bürokraten nicht heraus- 
könne. An Allerhöchster Stelle interessiere man sich für die innere Politik 
nur wenig, wie man überhaupt sehr viel passiver geworden wäre. An sich 
wäre das ja nicht gerade ein Unglück, so aber gingen die Dinge unter dem 
Zeichen allgemeinen Mißbehagens ihren Gang. Wenn man früher, selbst 
unter Bismarck, gelegentlich von einer Reichsverdrossenheit gesprochen 
habe, so sei jetzt eine Regierungsverdrossenheit vorhanden, die immer 
weitere Kreise ergreife. Man verliere wirklich jede Lust, denn alles sei gar 
zu hoffnungslos und ledern, 
Walter Rathenau schrieb: „Bei dem Verlust, den wir alle durch Ihr 
Scheiden erlitten haben, kommen meine Gefühle nicht in Betracht. Sie 
werden aber noch weiter beschattet durch die Besorgnisse, die ich für 
unsere fernere Zukunft hege. Diese trüben Gedanken lassen mich immer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.