EIN VÄTERLICHES VERBOT 95
das deutsche Kronprinzenpaar in Rom. Der Kronprinz ließ mich nach seiner
Ankunft wissen, daß er mich zu seinem lebhaften Bedauern nicht besuchen
könne, da sein Vater ilım ausdrücklich untersagt habe, die Villa Malta zu
betreten. Ich habe auch diese Ungezogenheit mit Ruhe ertragen. Als der
große Napoleon einmal gegenüber Talleyrand die Haltung verloren hatte,
bemerkte dieser trocken: „Quel malheur, qu’un si grand homme soit si mal
eleve!“ Ich hatte nicht den Trost, daß es ein großer Mann war, der mir
mankierte. Aber es war derselbe Souverän, der dem General von Leszczynski,
einem unserer tüchtigsten Generäle, vom Fleck weg den Abschied erteilte,
weil dieser als Kommandierender General in Altona dem Fürsten Bismarck
im benachbarten Friedrichsruh einen Antritts- und Anstandsbesuch ge-
macht hatte. Als Leszczynski einige Jahre später einen kleinen Hof in der
Nähe von Liebenberg als Ruhesitz erworben hatte, gelang es dem Schloß-
herrn von Liebenberg, dem damals noch in Gunst stehenden Philipp
Eulenburg, für seinen Nachbarn in einem halbstündigen Gespräch mit
Seiner Majestät den Schwarzen Adler herauszuschlagen. Am Abend seiner
Ankunft in Rom begegnete ich dem Kronprinzen bei dem Diner, das ihm
die Königin-Mutter Margherita gab. Er war verlegen, als er mich erblickte,
begrüßte mich aber mit der ruhigen Höflichkeit, die ihm am englischen
und am russischen Hof, bei dem alten Kaiser Franz Joseph und dem cehr-
würdigen Prinzregenten Luitpold von Bayern im Gegensatz zu seinem
Herrn Vater aufrichtige Sympathien erworben hatte. Er wurde freilich
noch verlegener, als ihn die Königin bei Tisch vor mir frug: „Warst du
schon in der Villa Malta? Nein? Dann gehe nur schnell hin, sie ist sehr
schön, und du wirst doch gewiß dem früheren, langjährigen Reichskanzler
deine Aufwartung machen wollen.“ Am nächsten Tage besuchte uns die
Kronprinzessin. Mit der Anmut, die nicht nur ihre äußere Erscheinung
auszeichnet, sondern die bei ihr auch eine Grazie des Herzens ist, sagte sie
zu meiner Frau und mir: „Meinem Mann ist es verboten worden, zu Ihnen
zu gehen. Ich komme aber doch.“ — „Fra bella e buona, non so qual fosse
piu“ (Schön oder gut: was war sie mehr, ich weiß es nicht) heißt es in einem
alten italienischen Sonett, das auf die Kronprinzessin Cecilie gedichtet sein
könnte.
Wenn ich an das Jahr 1913 zurückdenke, so scheint es mir, als ob das
Schicksal mir das alte, starke, blühende Deutschland vor seinem Untergang
noch einmal in seinem Glück und seiner Schönheit habe zeigen wollen.
Anfang Juni verlebten wir gute Tage bei unserem Freunde Loebell in
Brandenburg an der Havel. Wir besuchten von dort aus die Ruinen des
sagenumsponnenen Zisterzienser-Klosters Lehnin, einst „Himmelpfort am
See‘ genannt, erinnerten uns an das trübe Vaticinium Lehninense und er-
freuten uns nachher um so mehr an dem prächtigen Anblick der von der
Der
Kronprinz
sagt ab
Sommerreise
in die Heimat