EIN DUMMER BÜLOW? 97
jährige Reisebegleiter unseres alten Kaisers und spätere Gesandte in Rom,
Otto von Bülow. Mein Vater frug, ob vier Bülows nicht etwas zu viel wären,
worauf der Fürst freundlich erwiderte: ‚Von der Sorte können wir nicht
genug bekommen.‘ Und als ich einige Tage später dem großen Manne als
Attach& vorgestellt wurde — ich sehe ihn noch vor mir, die Riesenfigur, die
buschigen Augenbrauen, das tiefe, unergründliche Auge —, da frug er
mich in seiner humorvollen Art und mit der leisen und feinen Stimme, die
bei seiner Reckengestalt doppelt eindrucksvoll war: ‚Haben Sie schon
einmal einen dummen Bülow gesehen ?*‘ Nun, ich bin immer ehrlich gewesen.
‚Alle Bülowen ehrlich‘ lautet unser alter Wappenspruch, und die Wahrheit
ist, daß es auch bei uns — minder Erleuchtete gibt. Also ich antwortete dem
Fürsten: ‚Jawohl, ich habe auch dumme Bülows gekannt — aber nicht
viele!‘ Da lachte der Fürst und erzählte uns, in seinem elterlichen Hause
habe ein Major Bülow verkehrt, der ein großer L’hombre-Spieler gewesen
sei und dabei einen unbändigen Stolz auf seinen Namen besessen habe. Der
hätte mit Vorliebe die Äußerung des genialen, aber unglücklichen Dietrich
von Bülow wiederholt, der von seinem Bruder Friedrich Wilhelm, dem
Dennewitzer, zu sagen pflegte: ‚Mein Bruder Friedrich Wilhelm ist der
dümmste von uns Brüdern, aber immer noch der beste Ofäzier der Armee.“
Nun, so viel Selbstgefühl wie dieser Dietrich braucht ein junger Bülow nicht
zu entwickeln. Unsere Pflicht aber ist es, daß unsere Familie für den Militär-
und Zivildienst stets ordentliche Leute stellt. Als der Mecklenburg-
Schwerinsche Oberhofmarschall Bernhard Joachim von Bülow — er war
mein Urgroßvater — an der Spitze einer Ständischen Mecklenburgischen
Deputation in Warschau vor Kaiser Napoleon stand, um die Wieder-
einsetzung des von den Franzosen vertriebenen rechtmäßigen Landesherrn
zu betreiben, imponierte seine würdige Haltung in so schwieriger Lage dem
Imperator so sehr, daß er zu seinen Marschällen sagte: ‚Zu französischen
Marschällen habe ich euch machen können, aber zu mecklenburgischen
Edelleuten kann ich euch nicht machen.‘ Von demselben Bernhard Joachim
von Bülow heißt es in unserem alten Familienbuche, dessen Verfasser
Paul von Bülow, der Vater unseres Vetters, des Generalobersten, war, er
sei ein vollkommener Hofmann gewesen, verbunden mit der Freimütigkeit
und Festigkeit eines echten Edelmannes. Solche Beispiele mögen unserer
Familie stets vor Augen stehen, damit sie weiter ihre Schuldigkeit tut.“
Am Schluß meiner Rede wies ich darauf hin, daß unser Geschlecht stolz
darauf wäre, diejenige adlige Familie zu sein, die der Armee die meisten
Offiziere stellte. Als ein Jahr später der Weltkrieg ausbrach, kämpften unter
der ruhmvollen schwarz-weißen Fahne an hundert direkte Nachkommen
des Ritters Godofridus de Bülowe, der 1239 die Stammreihe der Familie
beginnt. Zweiunddreißig von ihnen, ein gutes Drittel, besiegelten ihre Treue
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