100 EINE REIN PREUSSISCHE SCHLACHT
Joch, das Vaterland über alle Güter stellte, die das Leben vergänglich
zieren, über Reichtum und Glanz. Das Geschlecht von 1813 erkannte, daß
der materielle Fortschritt nicht alles bedeutet, daß es höhere Werte gibt.
Wehe dem Volk, dessen Reichtümer steigen, während die Menschen
sinken! Die Erhebung von 1813 ging aus dem Gefühl hervor, aus reiner und
heißer Liebe zu dem Lande unserer Väter, aus heiligem Zorn gegen die
Unterdrücker, aus männlichem und ungeheucheltem Vertrauen zu unserem
Herrgott im Himmel, dem Gott, der Eisen wachsen ließ und wollte keine
Knechte. Das Geschlecht von 1813 siegte, weil es wußte, daß der Sieg nicht
allein durch technische Überlegenheit erfochten wird, sondern mit der
Seele. Solches Empfinden erzeugte den heroischen Patriotismus, die
tragische Entschlossenheit, die jenes Geschlecht und die Männer von 1813
auszeichneten und die Bismarck von ihnen geerbt hat, der, im Jahre von
Waterloo geboren und von Schleiermacher in der Berliner Dreifaltigkeits-
kirche eingesegnet, das damals nicht zum Abschluß gebrachte Werk mit
unserem alten Heldenkaiser vollenden und ausführen sollte. Der Sieg
heftete sich 1813 an unsere Fahnen, und es gelang, die Ketten der Fremd-
herrschaft zu sprengen, weil dieser Gedanke alle Stände, alle Klassen
ergriffen und zu einer Gemeinschaft vereinigt hatte, die das Wohl der
Allgemeinheit höher stellte als das, was dem einzelnen als sein Interesse
erscheint. Vor dieser Gemeinschaft wich und zerstob der alte Fluch des
deutschen Lebens, daß das Sonderinteresse über das allgemeine Wohl, der
Teil über das Ganze gestellt wird. Das grausame Wort unseres größten
Dichters von dem Deutschen, der im einzelnen trefflich, aber im ganzen
miserabel sei, traf diesmal nicht zu. Die Generation von 1813 begriff, daß
das allgemeine Interesse eines Landes nicht aus der Summe der Einzel-
interessen besteht, sondern über diesen steht. Das war der große Gedanke
von Stein und Scharnhorst, daß es darauf ankomme, einen möglichst
weiten Kreis der Bürger eines Staates möglichst fest mit den Interessen und
Forderungen dieses Staates zu verflechten, damit dem Wert des einzelnen
für den Staat die Bedeutung des Staates für den einzelnen entspreche und
ein Band nationaler Lebensgemeinschaft alle umschlinge. Ein Seitenstück
solchen Gemeingeistes ist die Notwendigkeit der Unterordnung des ein-
zelnen unter das Ganze. Nur Gemeingeist auf der einen Seite, Zucht und
Ordnung auf der anderen vermögen eine tragfähige Staatsgesinnung
hervorzubringen, die Geschlossenheit im Staats- und Volksbewußtsein, die
gegenüber allen Schicksalsschlägen und geschichtlichen Wendungen einem
Staate und einem Volke die Dauer verbürgt.‘“ Ich stellte fest, daß bei
Dennewitz Preußen gesiegt habe, daß Dennewitzeinerein preußische Schlacht
gewesen sei. „Die Männer, die hier kämpften und bluteten, waren Söhne
jenes Ostens, von dem ich in meiner ersten Rede im Abgeordnetenhause