DER MANN DES SCHICKSALS 101
sagte, daß er unserem Staatswesen, dem Beamtentum und der Armee
seinen starken und großen Stempel aufgedrückt hat. Die Abschüttelung der
Fremdherrschaft war überwiegend das Werk von Preußen. Wir erinnern uns
daran nicht aus Ruhmredigkeit oder Überhebung, sondern weil es die histo-
rische Wahrheit ist. Dieses kleine und arme, von Napoleon ausgesogene und
zerschlagene Preußen, das kaum fünf Millionen Einwohner zählte, stellte
dreihunderttausend Mann ins Feld. Es stellte vor allem den Geist, den
Geist von Scharnhorst und Stein, von Blücher und Yorck, von Heinrich
von Kleist und Theodor Körner, von Ernst Moritz Arndt und Friedrich
Ludwig Jahn, von Schleiermacher und Fichte, den Geist der Männer, deren
Bilder unsere Dennewitzer Gedenkhalle schmücken. Dieser Geist wies
Deutschland die Wege. Nur so lange es den Hauch dieses Geistes verspürt,
ist Deutschland auf dem rechten Wege.“ Ich schloß: „Am Tage nach der
Schlacht von Dennewitz schrieb der Sieger an seine Frau: ‚Es kommt nur
darauf an, daß wir unsere Siege nutzen, und wir werden bald Herr von
Deutschland sein.‘ Diese Hoffnung ging damals nicht in Erfüllung. Ein
halbes Jahrhundert mußte vorübergehen, bis der Mann des Schicksals kam,
der gewaltige Staatsmann, der, getragen von dem Vertrauen seines könig-
lichen Herrn, mit iım die Kraft des preußischen Staates in das richtige
Bett, in das Strombett des deutschen Einheitsgedankens leitete und mit
genialem Blick die rechte Stunde traf, das von König Wilhelm mit Weisheit
und Tatkraft, mit tiefer Einsicht und in langer Treue neugeschärfte preu-
Bische Schwert in die Schale zu werfen, die Reiche wägt. Da kam der Tag
der Erfüllung für alle Hoffnungen und Wünsche, der volle Lohn für die
Opfer und Mühen des Jahres 1813. Und als 1870 wiederum Kriegsruf er-
klang, konnte der Prophet des nationalen Gedankens, Heinrich von
Treitschke, in seinem Liede vom Schwarzen Adler zum preußischen
Königsaar sprechen:
„Erfüllet sind die Zeiten,
Wahrheit wird der Dichtung Traum.
Deinen Fittich sollst du breiten
Über Deutschlands fernsten Raum.
Nimm der Staufer heil’ge Krone,
Schwing den Flamberg der Ottone,
Unseres Reiches Zier und Wehr:
Deutschland frei vom Fels zum Meer!“
Als ich mit diesen Worten auf die Via triumphalis hinwies, die von
Dennewitz über Sadowa nach Sedan und Versailles führt, glaubte ich nicht,
daß ein Jahrzehnt später der deutsche Reichspräsident Ebert bei der fünf-
undsiebzigjährigen „Feier“ des Zusammentritts der Frankfurter National-