WELTKRIEG UND RUSSISCHE REVOLUTION 131
an den Dardanellen an einen deutschen General überwunden war, der
russischen Presse verboten, die Angelegenheit mit übertriebener Animosität
zu behandeln. Als Rivet in seinen Korrespondenzen nach Paris einen um so
schärferen Ton anschlug, habe Sasonow ihm gesagt: „‚Quoi que vous fassiez,
Monsieur, vous ne nous brouillerez pas avec l’Allemagne.“‘ Der Franzose
Charles Rivet fügt in seinem Buch hinzu: „L’Allemagne s’est charg£e elle-
möme de prendre sur elle ce que redoutait tant cet excellent Mr. Sazonof.
Tant mieux, disons nous Frangais.“
Auch Kriwoschein sagte mir, daß zwischen Berlin und St. Petersburg
allerlei Friktionen stattgefunden hätten. Als ich ihn frug, ob er an eine
Friedensgefahr glaube, antwortete er mir: „A Dieu ne plaise! II y a de
mauvais elements chez nous comme un peu partout. Mais nous ne ferons
certainement pas la folie d’attaquer ni l’Autriche, ni surtout l’Allemagne.
Une guerre entre les trois empires serait, j’en suis convaincu, la fin de trois
grandes dynasties.‘“ Als ich diese beruhigende Antwort einer langjährigen
russischen Freundin mitteilte, die gleichfalls für die Osterwoche nach Rom
gekommen war, meinte sie: „Je pense comme Kriwoschein et comme lui je
forme des veux ardents pour le maintien de la paix. Plus que cela, je crois
au maintien de la paix. Mais ce que je crains, c’est la r&volution en Russie.
Avec un gouvernement aussi faible et aussi inepte que celui que nous avons
sous Nicolas II. en Russie, la revolution finira par triompher.‘‘ Wären wir
nicht im Hochsommer 1914 durch eine ebenso kurzsichtige wie ungeschickte
Politik in den Krieg gestolpert, so würde es voraussichtlich in nicht allzu
langer Zeit in Rußland unter dem willensschwachen Nikolaus II. zu einer
Revolution gekommen sein, für die dort seit dem Tode des Kaisers
Alexander III. alles reif war. Damit wäre die Gefahr eines Krieges zwischen
den Kaiserreichen beseitigt gewesen. Die russischen Revolutionäre wollten
keine auswärtigen Komplikationen. Sie wollten ihr marxistisches Ideal im
Innern verwirklichen und sich zu diesem Zweck zunächst ungestört der
Ausrottung ihrer inneren Gegner widmen.
Meine Frau und ich unterhielten in Rom besonders freundschaftliche
Beziehungen zu dem englischen Botschafter Sir Rennel Rodd und seiner Sir Rennel
hübschen und liebenswürdigen Frau. Sir Rennel war während der neun- Rodd
undneunzig Tage Sekretär der englischen Botschaft in Berlin gewesen, hatte
dort der armen Kaiserin Friedrich nahegestanden und auf ihren Wunsch
für das englische Publikum in englischer Sprache ein Buch über den Kaiser
Friedrich geschrieben, in dem er mit Recht dessen Ritterlichkeit und edlen
Sinn rühmte. Er wurde deshalb vom Auswärtigen Amt, insbesondere von
Holstein, verfolgt und auch von Kaiser Wilhelm II. schlecht behandelt. Er
wurde von Berlin abberufen, blieb aber nichts desto weniger viele Jahre
hindurch deutschfreundlich. Seinen ältesten Sohn hatte er zuerst einem
9°