4 DIE VON BÜLOW
eine Finanzreform gefallen, bei der es sich schon um größere Summen han-
delte. Und es sollte die Zeit kommen, wo vor unseren trauernden Augen
mehr, viel mehr Milliarden unserem erschöpften und gemarterten Vulk aus-
gepreßt werden sollten, als uns früher Millionen erschwinglich erschienen.
Kremmen, Fehrbellin tauchten in der Ferne auf: Kremmen, wo Märker und
Pommern miteinander rauften, die später Schulter an Schulter manche gute
Schlacht schlagen sollten, Fehrbellin, der erste große Sieg der brandenburg-
preußischen Heldengeschichte. Der Geist des größten preußischen Dichters,
der Geist Heinrichs von Kleist schwebt über dieser heroischen Landschaft.
Wilsnack ruft mir einen mittelalterlichen Exzeß meines Geschlechts ins
Gedächtnis. Der Ritter Hennecke von Bülow, ein streitbarer Mann, der den
Beinamen „Grote Kop“ führte und die Städte Plau, Dömnitz und Neustadt
in seinen Besitz gebracht hatte, äscherte 1383 während einer Fehde, die er
gegen den Bischof von Havelberg führte, in barbarischer Weise Wilsnack
ein. Er schonte auch die Kirche nicht, in der das Sakrament ausgesetzt war.
Die Hostie verbrannte nicht, aber sie blutete, und dadurch wurde das
„Heilig Blut von Wilsnack“ ein berühmter Wallfahrtsort. „Beim heiligen
Blut von Wilsnack‘“ war im Mittelalter eine beliebte Beteuerungsformel.
Das Geschlecht von Bülow aber mußte die Missctat seines entarteten
Sohnes mit dreijährigem Kirchenbann büßen. Da die Familie in den Jahr-
hunderten vor der Reformation der Kirche fünf treffliche Bischöfe gestellt
hat, vier für Schwerin und einen für Lebus, so gebe ich mich der Hoffnung
hin, daß der Frevel eines einzelnen ihr nicht dauernd angerechnet werden
wird. Der Übeltäter hat übrigens seinen Exzeß nicht lange überlebt. Die
Familien-Chronik meldet, daß der „Grote Kop“ bald nach der Zerstörung
von Wilsnack, kaum 30 Jahre alt, zur Hölle fuhr.
Wir kamen an dem Rittergut Düssin vorbei, das lange im Besitz meiner
direkten Vorfahren gewesen war. Von fast neunzig Rittergütern, sagte ich
mir, die seit dem 14. Jahrhundert meiner Familie in unserer alten mecklen-
burgischen Heimat gehört hatten, sind kaum noch zwanzig in unserem
Besitz, und wie wird es in hundert Jahren ausschen ? Und insbesondere,
wenn an der Zentralstelle eine unkluge Politik gemacht wird? Wir hielten
in Ludwigslust, wo ich als Knabe geweilt hatte, um damals dort lebenden
ehrwürdigen Oheimen und Tanten meine Aufwartung zu machen, und die
Biedermeierzeit stieg vor mir auf mit Lavendelduft und goldenen Schnupf-
tabakdosen. Mit welcher Ehrfurcht hatte ich damals in dieser typischen
Kunst- und Zufallsstadt fürstlichen Willens den Goldenen Saal im Schloß,
den Schloßpark mit seinen Anlagen, die Kaskade mit ihren breiten Doppel-
fällen betrachtet. Ich konnte mich auch noch wohl an die Hofkirche
erinnern mit ihrer seltsamen Inschrift: „Magaus Dux Megapolitanus
Magnus Peccator Magno Redemptori“. Wie aber der in Rede stehende