Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

BÜROKRAT UND PROFESSOR 153 
in den Händen weniger Männer. In erster Linie führte Bethmann die mit 
dem Ultimatum an Serbien eingeleitete Politik. Bethmann hatte mir, wie 
ich seinerzeit erzählte, als er meine Nachfolge antrat, mit redlichem oder 
aufgeblasenem und jedenfalls naivem Ausdruck gesagt, er habe der aus- 
wärtigen Politik bisher fremd gegenübergestanden. Er hoffe sich aber mit 
Eifer und Fleiß in sie einzuarbeiten. Er vergaß hierbei die vom Fürsten 
Bismarck oft ausgesprochene Wahrheit, daß die Diplomatie kein IHand- 
werk sei, das man mit den Jahren erlerne; sie sei überhaupt weniger eine 
Wissenschaft als eine Kunst, Im Juli 1914, wo er schon fünf Jahre im Amte 
war, glaubte Bethmann die diplomatische Kunst zu beherrschen. „Wer 
alles weiß‘, sagt die Weisheit der Brahmanen, „der ist selig zu preisen. 
Wer nichts weiß, dem kann geholfen werden. Aber wer halb weiß, an dem 
wird Brahma selbst zum Knecht.“ In Wirklichkeit war Bethmann zu 
schwerfälligen Geistes, um je auf diplomatischem Gebiet glänzen zu können. 
Weder sein Lebensgang noch sein Naturell qualifizierte iın zum Diplo- 
maten. 
Als ich im Kriegswinter 1915—1916 in Berlin weilte, pflegte ich oft 
meine Abende beim Fürsten Guido Henckel-Donnersmarck zuzu- 
bringen, dem ich während meiner Pariser Dienstzeit, in der ersten Hälfte 
der achtziger Jahre nähergetreten war. Er hatte inzwischen seine erste 
Gattin, die Paiva, durch den Tod verloren. Er hatte Paris verlassen, er 
hatte sich rangiert, er war von Wilhelm II., der ihn lange als Bismarckianer 
gehaßt und verfolgt hatte, dem aber sein riesiger Reichtum imponierte, in 
den Fürstenstand erhoben worden. Er hatte sich in Berlin niedergelassen 
und. bewohnte mit seiner zweiten Frau, einer geborenen Russin, die eine 
gute Deutsche geworden war, am Pariser Platz ein seinen Vermögensver- 
hältnissen angemessenes prächtiges Appartement. Der schon fünfund- 
achtzigjährige Fürst war einsilbig geworden, aber er war ein Mann von 
reicher Erfahrung und klarem Blick. Er kannte die Menschen, und er 
kannte die Welt. Er hatte die Gewohnheit, wenn er vom Fürsten Bismarck 
sprach, dem er während vieler Jahre nahestand, ihn mit feiner Ironie einen 
„nicht unbegabten Politiker‘ oder auch „einen Staatsmann von Erfahrung“ 
zu nennen. An einem mir unvergeßlichen Abend sagte der alte Fürst 
Donnersmarck zu mir: „Ein Staatsmann von einiger Erfahrung, der Fürst 
Bismarck, äußerte einmal vor mir, das Deutsche Reich könne jeden Reichs- 
kanzler vertragen, nur nicht einen Bürokraten.‘“ Henckel verfiel darauf 
in Schweigen. Nach einigen Minuten fuhr er fort: „Ein nicht unbegabter 
Politiker, Otto Bismarck, meinte einmal in meiner Gegenwart: ‚Wir ver- 
tragen jeden Kanzler, nur nicht einen Professor‘.‘“ Wiederum schwieg der 
Fürst von Donnersmarck. Dann mit einem Scufzer: „Jetzt haben wir einen 
Reichskanzler, der beides ist, Bürokrat und Professor.‘ Der bürokratischen 
Beim Fürsten 
Donnersmarck
	        
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