Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DIE SEKUNDÄREN 159 
jamais que la petite Serbie soit mangee par l’Autriche.“‘ Der bayrische 
Geschäftsträger hatte den Eindruck, den er auch pflichtgemäß nach 
München meldete, daß der Staatssekretär über die Münchener Warnung 
„gelächelt‘‘ habe. Als sich aber das Gepolter in St. Petersburg in den 
Kanonendonner des Weltkrieges verwandelte, lächelte der kleine Jagow 
nicht länger. Wie sein Chef Bethmann, verlor auch Jagow vollständig die 
Nerven. Zu dem Reichstagsabgeordneten Heckscher, der ihn am 2. August 
besuchte, sagte er, wie dieser mir nicht lange nachher erzählte: „Ich habe 
das Herz nicht in den Hosen, ich habe es in den Stiefelspitzen.““ 
Neben Bethmann und Jagow spielten Zimmermann, Stumm und 
Bergen eine mehr sekundäre Rolle. Den größten Einfluß übte Wilhelm 
Stumm aus, weil er der einzige in dem Konsilium war, der London und 
St, Petersburg aus eigener Anschauung kannte. Als während des Krieges in 
einer Geheimsitzung der Budgetkommission des Reichstages über die Ent- 
stehung des Krieges diskutiert wurde, frug, wie mir später der anwesende 
Reichstagsabgeordnete Prinz Heinrich Carolath vertraulich erzählte, ein 
Sozialist die Regierungsvertreter, ob es wahr sei, daß der Wirkliche 
Legationsrat Wilhelm von Stumm Ende Juli 1914 im Union-Klub in Berlin 
vor Zeugen geäußert habe: „Bis morgen vormittag habe ich die Russen in 
die Knie gebracht!“ Von seiten der Regierungsvertreter erfolgte keine 
Antwort. Daß Wilhelm Stumm nicht wie sein Chef Bethmann aus Ein- 
fältigkeit und Ungeschick, sondern mit Übermut den Ernst der Situation 
verkannte, dürfte leider keinem Zweifel unterliegen. 
Anders lag die Sache bei dem Unterstaatssekretär Zimmermann. Der 
war ein wackerer Mann, der, wenn er im Konsulatsdienst geblieben wäre 
oder im Auswärtigen Amt nur als Arbeitsbiene gewirkt hätte, sich bestens 
bewährt haben würde. Noch mehr wäre er als Oberstaatsanwalt oder 
Regierungspräsident in seiner ostpreußischen Heimat am Platze gewesen. 
Er hätte sich dort allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreut. Wenn er 
zum Frühschoppen erschienen wäre, würde ihm im Gasthof „Zum Preu- 
Bischen Adler‘ oder „Zur Linde‘ von allen Seiten entgegengerufen worden 
sein: „Herr Präsident! Herr Oberstaatsanwalt! Ich komme Ihnen einen 
Ganzen!“ Von europäischer Politik verstand Zimmermann nicht viel, die 
in Petersburg und Paris, in London und Wien maßgebenden Leute kannte 
er nicht. Und dabei neigte seine ganze Natur zu „forschem‘* Auftreten. 
Durchaus gewissenhaft, im Gegensatz zu Jagow und auch zu Bethmann, 
ein Feind jeder Intrige, ehrlich und loyal, hat er doch durch seine drauf- 
gängerische Art zur Verschärfung der Krise beigetragen. 
Der Dezernent für die Dreibund-Angel heiten, Diego von Bergen, 
der Sohn eines Pommern, der es im "Konsulatsdienst bis zum Vertreter 
Deutschlands bei einer zentralamerikanischen Republik gebracht hatte, 
  
Das Aus- 
wärlige Amt
	        
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