Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

GENERAL LUDENDORFF 173 
Fürst Wedel fand den nunmehr begonnenen Vormarsch auf Paris zu 
stürmisch. Die Anforderungen an die marschierenden Truppen gingen 
nach seiner Meinung über das Maß menschlicher Kräfte hinaus. Aber wir 
hatten beide, Wedel und ich, den glänzenden Auftakt des Krieges, die 
Eroberung von Lüttich, mit Jubel begrüßt. Für das Gelingen des Feld- 
zugsplanes im Westen war die möglichst rasche Eroberung der Festung 
Lüttich, die unserem rechten Heeresflügel die Straße nach der Haupt- 
stadt Belgiens versperrte, von eminenter Bedeutung. Lüttich mußte 
fallen, bevor französische oder englische Hilfe eintraf. Ein planmäßiger 
Angriff hätte zuviel Zeit gekostet. So entstand der Gedanke, vor Be- 
endigung des Aufmarsches, mit vorausbeförderten Truppen, Lüttich im 
Überfall zu nehmen. Am Abend des 5. August versuchten einige deutsche 
Brigaden, die vor dem Fortsgürtel von Lüttich standen, in der Dunkelheit 
zwischen denWerken in das Innere der Festung einzudringen. Der Hand- 
streich wäre fast mißlungen. Die Sturmtruppen kamen nicht vorwärts. 
Einzelne Teile verloren ihre Führer und gerieten in Gefangenschaft. In 
diesem kritischen Augenblick stellte sich ein Oifizier, der vorübergehend 
zum Stabe des Führers der Angriffstruppen, des Generals von Emmich, 
kommandiert worden war, der Oberst Ludendorff, an die Spitze einer 
Sturmkolonne, der 14. Infanterie-Brigade, deren Führer gefallen war. Den 
Degen in der Faust, riß er durch sein persönliches Vorbild eine Handvoll 
tapferer Leute vorwärts und drang durch die Fortlinie in den inneren Raum 
der Festung. Mit einer einzigen Brigade bemächtigteersich des durch dienoch 
von den Belgiern besetzte Fortlinie ganz von der Außenwelt abgeschiedenen 
Kerns der Festung, deren starke Besatzung vor den wenigen Deutschen das 
Feld räumte. Deutsche Verstärkungen trafen est nach sechsunddreißig Stun- 
den ein. Die Oberste Heeresleitung atmete auf, denn die Gefahr war beseitigt, 
daß der deutsche rechte Flügel durch die beiden gewaltigen Maassperren, 
Lüttich und Namur, in den Raum südlich der Maas zusammengedrängt 
werden könnte. Namur konnte jetzt von Norden her umgangen werden. 
Unsere Umfassungsbewegung hatte freie Bahn. Nicht nur bei Wedel und 
mir, in ganz Deutschland erweckte dieser erste deutsche Erfolg helle Be- 
geisterung. In dem Pulverdampf von Lüttich erblickte das deutsche Volk 
zum erstenmal den großen General, der sich während vier Kriegsjahren mit 
Ruhm bedeckte, der um die Fahnen der Armee neuen und reichen Lorbeer 
winden sollte, der trotz dem Gekläff blinder Demagogen und der kindischen 
Kritik welt- und kriegsfremder Stubengelehrter, trotz seiner späteren 
politischen Entgleisungen, so bedauerlich sie auch an und für sich waren, 
immer eine der großen Erscheinungen der deutschen Geschichte bleiben 
wird: den General Ludendorff. 
In den nächsten Tagen freute ich mich mit Wedel der Siege von 
Lüttich
	        
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