Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DER WINK ITALIENS 187 
aushielten. Ewig wird die Erinnerung fortleben an die Begeisterung, mit 
der an der Yser und bei Ypern die jungen Korps, meist Studenten, 
zum Teil Gymnasiasten, mit dem Gesang der Wacht am Rhein und 
des Deutschlandliedes stürmend dem Tode entgegengingen und mit 
ihren jungen Leibern die blutgedüngte Walstatt deckten. An diesem 
Teil der belgischen Nordseeküste, an die jetzt kein Deutscher ohne 
Wehmut denken kann, hatte ich, wie ich seinerzeit erzählt habe, im Hoch- 
sommer 1889, ein Vierteljahrhundert vor den Schlachten an der Yser 
und bei Ypern, in dem kleinen Nordseebad Nieuport schöne Wochen 
mit meiner Frau verlebt, nicht ahnend, daß hier einst die Blüte unseres 
Volkes verbluten sollte. 
Zu den schweren Fehlern, die sich unsere politische Leitung im Hoch- 
sommer 1914 zuschulden kommen ließ, gehört auch ihre Taktik gegenüber 
Italien. An diesem Mikrokosmus läßt sich nur zu deutlich die Zerfahrenheit 
und Unbeholfenheit, die Schwäche und Unbesonnenbeit, die aus Perfidie 
und Naivität seltsam gemischte Unzulänglichkeit der deutschen Diplomatie 
von 1914 nachweisen, die unser tüchtiges und friedliebendes Volk in den 
Krieg hineinstolpern und uns den Krieg verlieren ließ. Wie aus den von den 
Bolschewisten veröffentlichten Geheimberichten hervorgeht, wurde noch 
Ende Mai 1914 bei den Beratungen des russischen Admiralstabes über die 
abzuschließende russisch-englische Marinekonvention von russischer Seite 
an die Engländer die Forderung gestellt, daß sie, um einen österreichisch- 
italienischen Angriff auf das Schwarze Meer zu verhindern, den russischen 
Schiffen die englischen Flottenstützpunkte zur Verfügung stellen müßten. 
Damals rechneten Russen wie Engländer noch damit, daß Italien im 
Kriegsfall an der Seite der Mittelmächte bleiben werde. Als das Gewitter 
des Ultimatums am Horizont aufstieg, erklärte am 14. Juli 1914 der 
italienische Minister des Äußern, der Marquis San Giuliano, dessen 
politische Ambitionen von jeher auf die Ausbreitung des italienischen Ein- 
ilusses im Mittelmeer und insbesondere an der nordafrikanischen Küste 
gerichtet waren und der deshalb bis dahin ein Anhänger des Dreibundes 
und auch korrekter Beziehungen zwischen Italien und Österreich gewesen 
war, in einer Unterredung mit dem deutschen Botschafter Flotow, Italien 
könne exorbitante österreichisch-ungarische Forderungen an Serbien nicht 
unterstützen. 
Drei Tage später wiederholte der Minister dem deutschen Botschafter, 
Italien werde Österreich territoriale Eroberungen in Serbien nicht er- 
lauben. Statt sich diesen zweifellos auch an die Wiener Adresse gerich- 
teten Wink zur Warnung dienen zu lassen, empfahl der österreichisch- 
ungarische Botschafter in Rom, Herr von Merey, dem Grafen Berchtold, 
die italienische Regierung mit der Aktion gegen Serbien zu „überrumpeln“. 
Italien 
und die 
Miltelmächte
	        
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