Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

ZU „oOBERFLÄCHLICHER“" KENNTNIS 189 
Es stellte sich bald heraus, daß eine Kooperation zwischen Italien und 
den Zentralmächten nur möglich war, wenn Österreich den Italienern Kom- 
pensationen bot. Ich glaube noch heute, daß es bei Beginn des Krieges mit 
solchen Kompensationen möglich gewesen wäre, Italien zum Vorgehen auf 
unserer Seite zu bewegen. Unser militärisches Prestige war vor dem Marne- 
Rückzug gewaltig. Ein großer Teil der maßgebenden Italiener stand mit 
ihren Sympatbien auf deutscher Seite. Wenn Österreich den Italienern 
damals die Abtretung des Trentino und die Autonomie von Triest zuge- 
standen hätte und wenn wir ihnen gleichzeitig Tunis und Nizza in Aussicht 
stellten, so hätten wir Italien mitbekommen. Das publizistische Organ von 
Sidney Sonnino, der später Italien ins Entente-Lager führte, forderte 
damals täglich mit stürmischer Heftigkeit, daß Italien an der Seite von 
Deutschland in den Krieg treten müsse, um seine Zukunft zu sichern. Der 
Florentiner Sonnino mag an den Rat des großen Segretario seiner Heimat- 
stadt gedacht haben, sich immer an den Stärkeren zu halten, denn dort 
finde man Ruhm, Ehre, Geld und alle guten Dinge dieser Welt. Damals hielt 
man uns noch für den Starken, für den Stärkeren. Bethmann machte einen 
schwächlichen Versuch, den Grafen Berchtold zu einer zuvorkommenderen 
Haltung gegenüber Italien zu bewegen, wurde aber von diesem hochmütig 
abgewiesen, obwohl wir durch unsere weitere Behandlung der österreichi- 
schen Aktion gegen Serbien das denkbar stärkste diplomatische Druck- 
mittelin der Hand hatten. Berchtold wies den österreichischen Botschafter 
in Rom an, der italienischen Regierung nur „oberflächliche‘“ Kenntnis von 
den an Serbien gestellten Forderungen zu geben, ohne Bekanntgabe der 
einzelnen Punkte. Merey entledigte sich dieses Auftrages in salopper, bei- 
nahe beleidigender Form. Der italienische Gegenzug war, daß der italie- 
nische Ministerpräsident und der italienische Minister des Äußern erklärten, 
sie mißbilligten das österreichische Vorgehen und behielten sich freie Hand 
vor. Während diese Erklärung schon in nuce die spätere Neutralitäts- 
erklärung und die nachfolgende Kriegserklärung Italiens an Österreich ent- 
hielt, glaubten die Berliner besonders schlau zu handeln, indem sie Öster- 
reich, das doch in seiner Aktion gegen Serbien völlig von uns abhing, gegen- 
über Italien freie Hand ließen. 
Inzwischen hatte der Generalsekretär im italienischen Ministerium des 
Äußern De Martino dem französischen Botschafter gesagt, die italienische 
Regierung würde die österreichische Note an Serbien nicht gebilligt haben, 
wenn sie ihr vorher mitgeteilt worden wäre. Gleichzeitig erklärte De Mar- 
tino dem Botschafter Merey, Italien sei in keiner Hinsicht gebunden, da es 
von der österreichischen Aktion gegen Serbien nicht vorher unterrichtet 
worden sei. Durch diese Erklärung nicht belehrt, riet Merey seiner Regie- 
rung, alle italienischen Kompensationsansprüche a limine abzulehnen. 
Die Frage 
der Kompen- 
sationen
	        
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