SCHROFFER ABBRUCH 191
aggressives sei und somit dem Grundgedanken des Dreibundes wider-
spräche, überdies auch die italienischen Interessen schädige. Der Minister
ließ dabei einfließen. daß auch Rumänien ebenso wie Italien seine Inter-
essen durch das gewaltsame Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien
bedroht sähe.
Am 3. August richtete König Viktor Emanuel ein Telegramm an Kaiser
Wilhelm, um ihm endgültig mitzuteilen, daß nach Ansicht seiner Regierung
der Casus foederis nicht vorliege. Gleichzeitig überreichte der italienische
Botschafter in Berlin die Neutralitätserklärung Italiens. Der gleiche Schritt
erfolgte in Wien, wo Graf Berchtold dem italienischen Botschafter, dem
Herzog von Avarna, wutschnaubend erwiderte, Italien treibe eine „un-
kluge“ Politik, die es „bitter“ bereuen werde. Es sollte leider umgekchrt
kommen. Nachdem wir Rußland den Krieg erklärt hatten, wollte Wien,
jetzt der Knochen des Pommerschen Grenadiers ganz sicher, weniger denn
je von Kompensationen für Italien etwas wissen. Graf Berchtold ließ durch
den österreichischen Botschafter in Berlin dem Kanzler sagen, die Neutra-
lität Italiens genüge ihm, und er werde über Kompensationen überhaupt
nicht mehr verhandeln. Zu dieser schroffen Erklärung hatte ein Telegramm
von Merey beigetragen, der nach Wien gemeldet hatte, daß San Giuliano
ausdrücklich auf den Italienisch sprechenden Teil von Tirol, das Gebiet des
ehemaligen Fürstbistums Trient, hingewiesen hätte.
Das deutsche Volk war nicht nur mit Entschlossenheit, sondern mit
voller Zuversicht auf Erfolg und Sieg in den Krieg eingetreten. Die stolzen
Erinnerungen der preußischen Geschichte, die Erinnerung an den Sieben-
jährigen Krieg, wo der große König an der Spitze des damals weit kleineren
Preußen drei Großmächten widerstanden hatte, an die Erhebung gegen
Napoleon, wo nach Jena und Tilsit das geschwächte und ausgesogene
Preußen mit heldenhafter Anstrengung die Ketten des korsischen Zwing-
herrn zerbrochen hatte, vor allem die Erinnerung an die drei siegreichen
Kriege der Bismarckschen Ära ließen dauernde Mißerfolge oder eine wirk-
liche Niederlage der Mehrheit des deutschen Volkes fast unmöglich er-
scheinen. Trotz des Rückzuges an der Marne und der furchtbaren Opfer vor
Verdun und an der Yser blieb die Stimmung der Nation eine hochgemute.
Einen schönen Ausdruck gab ihr das Reiterlied von Rudolf Alexander
Schröder, dessen erste Strophen lauten:
Wir reiten von Wäldern und Schluchten verborgen,
Wir traben hinein in den dämmernden Morgen,
Deutschland, Deutschland!
Es wiehert und stampfet der Scheck und der Schimmel,
Es klappert und trappelt der Hufe Gewimmel,
Rot leuchtet der Himmel.
Die
Neutralitäts-
erklärung