ÖSTERREICH UND ITALIEN 213
Auswärtigen Amtes auf hundert Bedenken. In der Türkei sieht es nicht
rosig aus. Munitionsmangel, hervorgerufen durch Rumäniens Weigerung,
unsere bezüglichen Transporte durchzulassen. Weder am Suezkanal noch
in Ägypten irgendein Ziel für eine erfolgreiche Operation. Wie die Lage sich
gestalten wird, ist es gar nicht zu verstehen, warum wir nicht mit dem
größten Nachdruck in Wien dahin wirken, daß man sich auch unter erheb-
lichen Opfern mit Italien verständigt. Es ist für Österreich eine bittere Not-
wendigkeit, die an der italienischen Grenze gehaltenen Streitkräfte für die
endliche Bewältigung der Serben frei zu machen. Daß es Österreich nicht
gelang, schnell mit den Serben fertig zu werden, hat m. E. die militärische
Lage für uns sehr verschlechtert. Hätten die Österreicher die Serben schnell
zu Boden geworfen, so hätten sie durch Konzessionen diese kleine, tüchtige
Macht sich verbünden können und damit eine Situation schaffen, die dem
Zaren vielleicht den Vorwand für einen Separat-Frieden gegeben hätte.
Gott besser’s! Iclı gehe bald für einige Zeit nach Berlin und werde Zimmer-
mann zu einer energischen Aktion gegen Österreich zwecks Einigung mit
Italien dringend raten. Militärische Erfolge, die wir erreichen, werden den
Dreiverbandsmächten zu noch stärkerem Werben in Rumänien und Italien
den Anlaß geben. Militärische Mißerfolge werden die ohnehin bestehende
Neigung, gegen Österreich vorzugehen, dort und in Bukarest erhöhen. Wir
sind also between the devil and the deep sea und sollten suchen, bald einen
ehrenvollen Frieden zu machen. Was wir erreichen, ist ja an sich groß!
Gegen diese Welt von Feinden den Krieg im Feindesland konzentrieren und
sich so glänzend halten, ist sicherlich eine große Leistung.“
Der Generaldirektor des Scherlschen Verlages, der mit dem Großen
Hauptquartier enge Fühlung hatte und häufig dort weilte, Herr Eugen
Zimmermann, der drei Jahre später Wilhelm II. bei der Abfassung seines
Buches „Gestalten und Erscheinungen“ unterstützen sollte, hatte mir
schon vor meiner Abreise nach der Ewigen Stadt geschrieben: „Über die
Kriegslage macht sich allgemein eine pessimistische Auffassung bemerkbar.
Es geht sehr langsam und nur mit enormen Verlusten vorwärts. Die Gegner
gewinnen viel Zeit, Gegenmaßregeln zu treffen. Russische Artillerie wird
durch japanische ergänzt. Die Franzosen zielen immer mehr Farbige heran.
Die Engländer bilden fieberhaft aus. An der Yser verloren wir bis zum
1. November rund fünfzigtausend Offiziere und Soldaten. Fünfzigjährige
Oberleutnants und Kompagnieführer sind durchaus keine Seltenheit an der
Front. Der Kampf kommt immer mehr auf die Entscheidung durch brutale
Gewalt heraus. Die Kriegskunst tritt zurück. Eine operative Überlegenheit
ist nicht bemerkbar. Unsere Überlegenheit an Zahl im Westen (zirka drei-
hundertfünfzigtausend Mann) dringt nicht durch. Trotz allem kann und
muß man auf den endlichen Erfolg hoffen. Aber je mehr er der Armee, dem
Brief von
Eugen
Zimmermann