ALLERHÖÜCHSTE STIMMUNG 215
reich, und hofft, daß Rumänien, wo sich eine Stimmung für die Zentral-
mächte Bahn zu brechen scheint, Italien von einem verhängnisvollen
Schritt abhalten werde. Ganz vertraulich möchte ich noch hinzufügen, daß
man hier die Meinung hat, der Papst werde im Frühjahr den Frieden an-
bahnen und vermitteln. Dieser Gedanke ist Seiner Majestät sehr sym-
pathisch. Natürlich könne das aber nur auf der Basis des militärischen
Status quo erfolgen. Dieser Weg wäre denkbar, da ein Friedensbedürfnis in
Frankreich und England zweifellos vorhanden sei. England geht man mit
der Marine tüchtig zu Leibe, natürlich nicht ohne Gefahr für die eigene
Zufuhr, besonders für Belgien. Seine Majestät ist guter Dinge und erwartet
mit Zuversicht die Operationen im Osten, die vielleicht einen Wendepunkt
militärisch und politisch in sich tragen.“
Eine große Freude war für mich das Vertrauen, das mir die in Italien
lebenden Landsleute vom ersten bis zum letzten Tage meiner Mission ent-
gegenbrachten. Zahlreiche Briefe und Telegramme aus Rom und Florenz,
Mailand und Neapel lieferten mir hierfür mich tief rührende Beweise. Aus
der deutschen Kolonie in Rom wurde mir telegraphiert: „Ganze Kolonie
beglückt und erlöst.“ Aus Mailand telegraphierte mir der seit langem dort
ansässige, angesehene Bankier Joel, ein geborener Danziger: „Mit wärm-
ster Genugtuung begrüßen wir den hochherzigen Entschluß Eurer Durch-
laucht, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß er segensreiche Folgen für
alle Teile haben werde.“ Der erste meiner italienischen Freunde, dem ich
nach meiner Ankunft in Rom auf dem Pincio begegnete, war Graf Giu-
seppe Greppi. Er war damals schon fünfundneunzig Jahre alt. Mailänder
von Geburt, war er als siebzehnjähriger Attach& 1836 in den österreichi-
schen diplomatischen Dienst eingetreten. Er hatte in Parma bei der Witwe
des Kaisers Napoleon, der Kaiserin Marie Louise, gefrühstückt und lobte
deren schöne Büste und zierliche Füßchen. Er hatte in Rom im Palazzo
Bonaparte, auf dem Corso, gegenüber dem „Gesü‘, der Mutter des großen
Korsen, Madame M£re, die Hand geküßt. Er hatte vor König Friedrich
Wilhelm III. von Preußen und vor dem letzten römischen Kaiser deutscher
Nation, vor Franz II., vor Wellington und vor dem Erzherzog Karl, dem
Sieger von Aspern, gestanden. Er war zwei Jahre lang Kabinettschef des
Staatskanzlers Clemens Metternich für die italienischen Angelegenheiten
gewesen und schilderte anschaulich, wie der damalige Lenker der öster-
reichischen und bis zu einem gewissen Grade der europäischen Politik
abends in seinem Salon seinen Untergebenen und den ihn besuchenden Ver-
ehrern, an eine Säule gelehnt, in feierlicher Haltung und in feierlichem Ton
Vorträge hielt über die großen Prinzipien der Legitimität, der streng mon-
archischen Ordnung und des weisen Stillstandes, nach denen regiert werden
müsse. Solche Vorträge des Staatskanzlers, des „Cocher de l!’Europe‘“, wie
Graf Greppi