Bülows
Intervention
222 RASCH HANDELN!
Stimmung gegenüber der Familie Hohenlohe versetzte diese in Wonne.
Aber die politische Konsequenz dieses Knabenstreiches war übel, doppelt
übel so kurze Zeit vor der Ultimatums-Aktion.
Ich gewann in allen Unterredungen mit dem Minister Sonnino ebenso
wie aus den Äußerungen meiner Freunde und Bekannten in Rom den
Eindruck, daß es vor allem darauf ankäme, rasch zu handeln, wenn es
gelingen sollte, ein Vorgehen der Italiener gegen Österreich noch im letzten
Augenblick zu verhindern. „Bis dat qui cito dat‘, wiederholte ich dem
österreichischen Botschafter Macchio und in meinen Berichten und Briefen
nach Berlin. Ich konnte nicht genau bestimmen, wie weit, und vor allem,
wie fest sich Italien vor meiner Ankunft gegenüber der Entente gebunden
hatte. Ich fühlte, daß die vorbereitenden Besprechungen und Verhand-
lungen schon sehr weit gediehen waren, daß aber noch keine endgültige
und unwandelbare Bindung vorlag. Es kam also darauf an, baldmög-
lichst bei den maßgebenden italienischen Staatsmännern die Überzeugung
zu erwecken, daß Österreich ohne Hintergedanken das Minimum der
italienischen Forderungen erfüllen würde, und gleichzeitig im italieni-
schen Volk eine Bewegung hervorzurufen, die eine Befriedigung der italie-
nischen Aspirationen auf dem Wege friedlicher Verhandlungen dem
Würfelspiel des Krieges vorzog. Was ich in diesem Sinne tat, die Ent-
schlossenheit, mit der ich mein persönliches Ansehen einsetzte, um den
Ausbruch des Krieges zwischen Italien und Österreich zu verhindern, sollte
nicht den Interessen der habsburgischen Monarchie, sondern denen meines
deutschen Vaterlandes dienen, das schon gegen so viele Feinde kämpfte.
Ich sah voraus, daß ein Krieg zwischen Italien und Österreich uns mit
einer schweren militärischen Hilfsaktion belasten würde. Ich bin übrigens
noch heute der Meinung, daß Italien, wenn es 1915 nicht in den Krieg gegen
Österreich eingetreten wäre, später mehr als eine Gelegenheit gefunden
hätte, ohne Kampf, Opfer und Blutvergießen den Trentino, die Autonomie
von Triest und eine bessere Behandlung der Italiener in Österreich zu
erreichen. Wäre Italien neutral geblieben, so hätte es während des Welt-
krieges allen ein Asyl bieten und nach allen Seiten exportieren können. Die
Lira stünde dann heute so hoch wie der Schweizer Franken. Ich glaube
weiter, daß Italien, als es im Frieden von Versailles aus den Händen der
Entente große, von Deutschen und Südslawen bewohnte Gebietsteile
entgegennahm, nicht nur gegen das Nationalitätsprinzip verstieß, auf das
es sich selbst so oft berufen hatte, sondern auch gegen sein eigenes, wahres
und dauerndes Interesse. Ohne das Eintreten von Italien in den Krieg wäre
es schwerlich zu dem Frieden von Versailles gekommen, der, wenn nicht
die völlige Vernichtung, so doch die Verkrüppelung, eine namenlose
Schwächung Deutschlands, der die Aufhebung des europäischen Gleich-