EIN PROTEST BÜLOWS 243
sondern nur bruchstückweise und deshalb falsch geübt werden könnte, die
Kräfte der Einheit und Geschlossenheit gelähmt werden, deren wir zum
siegreichen Durchhalten nicht entraten können. In alter Verehrung bin ich
Euer Durchlaucht ergebener von Bethmann Hollweg.“
Ich erwiderte auf dieses Schreiben, aus dem Empfindlichkeit, noch
größere Ängstlichkeit und ein unruhiges Gewissen sprachen: „Verehrter
Freund, Ihrem gestern erhaltenen Schreiben entnehme ich mit Bedauern,
daß die Quertreibereien, die mir bereits während meiner vorübergehenden
amtlichen Tätigkeit in Rom wiederholt entgegengetreten waren, auch nach-
dem ich in das Privatleben zurückgekehrt bin, ihren Fortgang nehmen. Ich
habe mich seit meinem vor bald sechs Jahren erfolgten Rücktritt einer
politischen Zurückhaltung befleißigt, wie sie gewissenhafter und peinlicher
nicht möglich ist. Ich habe, wie gerade Sie wissen, an dieser Zurückhaltung
festgehalten, als ich der Gegenstand sinnloser und unwürdiger Verleum-
dungen war. Ich habe auch jetzt bei Gesprächen über die Entwicklung der
italienischen Verhältnisse, und ganz besonders soweit Österreich und die
österreichische Politik in Frage kommen, in Rom wie hier nichts gesagt,
was die Kreise unserer Politik stören könnte. Dafür bürgt nicht nur mein
persönliches Taktgefühl, das mich in keiner Lebenslage verlassen hat,
sondern auch meine richtige politische Einschätzung unseres Bündnisses
mit Österreich, dem, wie Sie mir gern zugeben werden, während meiner
Amtsführung nicht nur äußere und bedeutsame Erfulge, sondern auch
innerliche Neubelebung und Kräftigung beschieden waren, obschon ich da-
für Sorge trug, innerhalb des deutsch-österreichischen Bündnisses der
führende Teil zu bleiben. Auch in Rom bin ich nicht nur mit großem
Nachdruck für politisch vernünftige österreichische Gesichtspunkte ein-
getreten, sondern ich habe es als einen wesentlichen Teil meiner Aufgabe
betrachtet, Schaden von Österreich abzuhalten und die österreichischen
Lebensinteressen sicherzustellen, wenn auch selbstverständlich die preu-
Bische und deutsche Staatsräson mein Leitstern war. Das Recht darf ich
für mich in Anspruch nehmen, über Vorgänge, die publici juris sind und die
von allen Kennern der italienischen Verhältnisse, mag es sich um Mitglieder
unserer Missionen in Rom, um die Vertreter neutraler Länder, um dauernd
oder vorübergehend in Rom weilende deutsche Landsleute oder um
deutschfreundliche Italiener handeln, gleichmäßig beurteilt werden, meine
Meinung zum Ausdruck zu bringen. Daß dies immer mit der nötigen diplo-
matischen Diskretion und dem nötigen diplomatischen Feingefühl ge-
schehen ist und noch geschieht, werden Sie, wie ich hoffe, nicht bei einem
Mann bezweifeln, der, Sohn eines Staatssekretärs des Äußern und selbst
mit vierundzwanzig Jahren in den diplomatischen Dienst eingetreten,
diesem Dienst sechsunddreißig Jahre angehört und zwölf Jahre an der
16°
Bülows
Erwiderung