Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

254 DER KHEDIVE VON BELGIEN 
Umgebung des hohen Herrn entnehmen, daß er auch in der Kriegszeit sein 
gewohntes Leben fortsetze, wenig arbeite, sich nach Möglichkeit zerstreue 
und nur zu viel Allotria triebe. Bei jener einzigen Einladung, die während 
der letzten vier Kriegsjahre an mich erging, fand ich den Kaiser allein, ohne 
die Kaiserin und ohne irgendeinen Herrn der Allerbhöchsten Umgebung. 
Außer mir war noch der Generalgouverneur von Belgien, der General der 
Kavallerie Freiherr von Bissing, eingeladen. Der Kaiser war in guter 
Stimmung. Ich hatte den Eindruck, daß er mir gegenüber vor allem den 
starken Mann spielen wullte. Nachdem er, wie ich vorgreifend schon erzählt 
habe, der Überzeugung Ausdruck gegeben hatte, dal das Volk vom 
Parlamentarismus nichts wissen wolle, den Reichstag „bis an den Hals“ 
hätte und am liebsten von stellvertretenden Kommaudierenden Generälen 
regiert würde, kam der hohe Herr, angeregt durch die Anwesenheit von 
Bissing, auf seine Stellung zur belgischen Frage zu sprechen. Er entwickelte 
dem General von Bissing, der für einen Anhänger der Annexion von Belgien 
galt und dies wohl auch war, daß er den König von Belgien nicht zu ent- 
thrunen beabsichtige. Er sei vor allem Legitimist. Er bedaure, daß sein 
Großvater unter dem Einfluß des bösen alten Bismarck 1866 die legitimen 
Herrscher von Hannover, Kurhessen und Nassau entthront habe. Ein 
Monarch von Gottes Gnaden dürfe eigentlich nie abgesetzt werden. Als 
Bissing und ich den Kaiser erstaunt ansahen, der sich in Hannover seit 
Jahrzehnten gauz als Herrscher fühlte und Wiesbaden und Wilhelmshöhe 
mit Vorliebe besuchte, meinte Seine Majestät: „Was geschehen ist, ist ge- 
schehen. In Hannover, Hessen und Nassau bleibt alles beim alten. Aber 
Albert soll in Belgien bleiben, denn auch er ist ein Herrscher von Gottes 
Gnaden. Natürlich wird er nach meiner Pfeife tanzen müssen. Ich denke 
mir sein künftiges Verhältnis zu mir etwa so wie das VerhültnisdesKhedive 
von Ägypten zum König von England.“ Das war die letzte politische 
Äußerung, die ich in meinem Leben von Kaiser Wilhelm II. gehört habe. 
Dann lenkte der Kaiser die Unterredung auf die angenehmen Eindrücke, 
die er im Schloß Pleß, der prächtigen Residenz des Fürsten Hans Heinrich 
Pleß, empfangen hätte. Der Fürst habe alle Waschtische seines Schlosses 
mit deliziösen Fransen umsäumt, die er, der Kaiser, auf seinen vielen 
Schlössern auch einführen wolle. Bissing und ich wurden verhältnismäßig 
früh entlassen. 
Wir hatten etwa eine Stunde, von neun bis zehn Uhr, im Neuen Palais, 
der herrlichen Schöpfung des großen Königs, wohl dem schönsten aller 
preußischen Schlösser, geweilt. Hier war es, wo ich Kaiser Wilhelm II. zum 
letztenmal sah, mit dem ich im Guten wie im weniger Guten so manches 
durchgemacht habe. Zum erstenmal hatte ich den Kaiser in demselben Neuen 
Palais, in demselben Saal, einundvierzig Jahre früher gesehen. Er war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.