Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

BETHMANNS STURZ 265 
gegeben ? Der Kronprinz hatte erkannt, daß wir mit Bethmann weder den 
Krieg gewinnen, noch mit ihm zum Frieden gelangen würden. Die Oberste 
Heeresleitung, Ulindenburg und Ludendorfl. waren der gleichen Ansicht. 
Im Grunde dachten auch die Parteien nicht anders. Das hatte der Kronprinz 
aus einer Reihe von Unterredungen erkannt, die er Anfang Juli mitleitenden 
Parlamentariern geführt und bei denen er durch seinen Takt und seine 
klugen Fragen allgemein gefallen hatte. Erzberger hatte bei diesen Kon- 
ferenzen seine Meinung nicht übel so formuliert: „Beihmann kann sich 
mit seiner ganz bekleckerten Weste unmöglich an einen Konferenz- oder 
Friedenstisch setzen.“ Es ist Matthias Erzberger gewesen, der dem Reichs- 
kanzler Theobald Bethimann den letzten, den entscheidenden, den Todes- 
stoß versetzte. Als Betlimann erfuhr, daß der Kaiser ihn fallen ließe, rief er 
nicht, wie angeblich Bismarck: „Le Roi me reverra!““, sondern seufzte: 
„Nun ist die Revolution unabweudbar.‘“ 
Als es feststand. daß Betlimann abtreten sollte, sagte der Kaiser zu dem 
Grafen August Eulenburg: „Gehen Sie zu meiner Frau und sagen Sie ihr, 
daß sie ihren Bülow wiederkriegt.“ Der Kaiser wußte, daB sowohl seine 
hohe Gemahlin wie auch sein Hausminister Graf Eulenburg meine Rückkehr 
zu den Geschäften wünschten. Wäre eine solche ein Glück für mich gewesen ? 
Oder vielmehr, da es natürlich in keiner Weise auf mein individuelles Glück, 
sondern lediglich auf die Salus publica ankam, hätte meine Wieder- 
erneunung zum Reichskanzler im Interesse des Landes gelegen ? Natürlich 
würde ich, wieder Reichskanzler geworden, es als meine Aufgabe betrachtet 
haben, einen annehmbaren Frieden zustande zu bringen. Vor der unsinnigen 
Wiederherstellung von Polen war ein Separatfricde mit Rußland möglich 
und damit entweder eine aussichtsvolle Fortführung des Krieges gegen die 
Westmächte oder noch besser ein guter Gesamtiriede. Ich würde mich 
vor der polnischen Dummheit keinen Augenblick besonnen haben, mit der 
russischen Regierung auf der Basis zu verhandeln, daß wir dem Zarenreich 
alle unscre im Weltkrieg in Pulen gemachten Eroberungen wieder heraus- 
gaben. Hätte die Wiener Regierung Schwierigkeiten erhoben, so würde ich 
den Russen auch noch Galizien in Aussicht gestellt und das Weitere ab- 
gewartet haben. Mit einem zufriedengestellten Rußland im Rücken waren 
wir der Rumänen und Italiener sicher. 1917 war die Gesamtlage schon 
viel schwieriger, aber nicht hoffnungslos. Ohne mich in Konjekturalpolitik 
zu verlieren, will ich hinzufügen: Der Friede war noch 1917 möglich, wenn 
wir nach außen keine Schwäche durchblicken ließen, also kein allzu sicht- 
bares Friedensbedürfnis, keine kindischen Friedensmanifestatiouen oder 
einfältigen Friedensresolutionen. Nach außen mußten wir im vollsten Sinne 
des Wortes unser Gesicht wahren, ein ernstes und festes, ja trotziges Ge- 
sicht, dem unsere innere Entschlossenheit entsprechen mußte. Gleichzeitig 
Die Nachfolge 
Bethmanns
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.