BETHMANNS STURZ 265
gegeben ? Der Kronprinz hatte erkannt, daß wir mit Bethmann weder den
Krieg gewinnen, noch mit ihm zum Frieden gelangen würden. Die Oberste
Heeresleitung, Ulindenburg und Ludendorfl. waren der gleichen Ansicht.
Im Grunde dachten auch die Parteien nicht anders. Das hatte der Kronprinz
aus einer Reihe von Unterredungen erkannt, die er Anfang Juli mitleitenden
Parlamentariern geführt und bei denen er durch seinen Takt und seine
klugen Fragen allgemein gefallen hatte. Erzberger hatte bei diesen Kon-
ferenzen seine Meinung nicht übel so formuliert: „Beihmann kann sich
mit seiner ganz bekleckerten Weste unmöglich an einen Konferenz- oder
Friedenstisch setzen.“ Es ist Matthias Erzberger gewesen, der dem Reichs-
kanzler Theobald Bethimann den letzten, den entscheidenden, den Todes-
stoß versetzte. Als Betlimann erfuhr, daß der Kaiser ihn fallen ließe, rief er
nicht, wie angeblich Bismarck: „Le Roi me reverra!““, sondern seufzte:
„Nun ist die Revolution unabweudbar.‘“
Als es feststand. daß Betlimann abtreten sollte, sagte der Kaiser zu dem
Grafen August Eulenburg: „Gehen Sie zu meiner Frau und sagen Sie ihr,
daß sie ihren Bülow wiederkriegt.“ Der Kaiser wußte, daB sowohl seine
hohe Gemahlin wie auch sein Hausminister Graf Eulenburg meine Rückkehr
zu den Geschäften wünschten. Wäre eine solche ein Glück für mich gewesen ?
Oder vielmehr, da es natürlich in keiner Weise auf mein individuelles Glück,
sondern lediglich auf die Salus publica ankam, hätte meine Wieder-
erneunung zum Reichskanzler im Interesse des Landes gelegen ? Natürlich
würde ich, wieder Reichskanzler geworden, es als meine Aufgabe betrachtet
haben, einen annehmbaren Frieden zustande zu bringen. Vor der unsinnigen
Wiederherstellung von Polen war ein Separatfricde mit Rußland möglich
und damit entweder eine aussichtsvolle Fortführung des Krieges gegen die
Westmächte oder noch besser ein guter Gesamtiriede. Ich würde mich
vor der polnischen Dummheit keinen Augenblick besonnen haben, mit der
russischen Regierung auf der Basis zu verhandeln, daß wir dem Zarenreich
alle unscre im Weltkrieg in Pulen gemachten Eroberungen wieder heraus-
gaben. Hätte die Wiener Regierung Schwierigkeiten erhoben, so würde ich
den Russen auch noch Galizien in Aussicht gestellt und das Weitere ab-
gewartet haben. Mit einem zufriedengestellten Rußland im Rücken waren
wir der Rumänen und Italiener sicher. 1917 war die Gesamtlage schon
viel schwieriger, aber nicht hoffnungslos. Ohne mich in Konjekturalpolitik
zu verlieren, will ich hinzufügen: Der Friede war noch 1917 möglich, wenn
wir nach außen keine Schwäche durchblicken ließen, also kein allzu sicht-
bares Friedensbedürfnis, keine kindischen Friedensmanifestatiouen oder
einfältigen Friedensresolutionen. Nach außen mußten wir im vollsten Sinne
des Wortes unser Gesicht wahren, ein ernstes und festes, ja trotziges Ge-
sicht, dem unsere innere Entschlossenheit entsprechen mußte. Gleichzeitig
Die Nachfolge
Bethmanns