Die Friedens-
resolution des
Reichstags
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gelangen, aber gemeinsam mit Deutschland. Er hätte es gern gesehen,
wenn wir durch die Abtretung von Elsaß-Lothringen an Frankreich die
Möglichkeit des Friedens herbeigeführt hätten. Aber den nackten Verrat
des Bundesgenossen, der sich für Österreich in den fürchterlichen Krieg
gestürzt hatte, wollte Czernin nicht. Er traute weder dem Kaiser Karl noch
den fürstlichen Damen, unter deren Einfluß der dümmerliche Nachtulger
des alten Kaisers Franz Josef stand. Aber Graf Czernin beging den Felıler,
sich, um seinen Friedenswünschen Eingang in Berlin zu verschaffen, der
Hilfe des Reichstagsabgeordneten Erzberger zu bedienen. Er vermittelte
die Einladung des Buttenhäusers an den steifsten aller europäischen Höfe.
Matthias Erzberger war berauscht, als er in der Wiener Hofburg stand,
Als ilım die hübsche Kaiserin Zita, der Graf Czernin gesagt hatte, sie müsse
sich für eine kleine Stunde die Gesellschaft des „ordinären Schwaben“ ge-
fallen lassen, es liege das im Interesse des Hauses Habsburg, die Hand zum
Kuß reichte, war er überwältigt. Als ihm gestattet wurde, gemeinsam mit
den Habsburger Majestäten in der Kapelle der Hofburg einer Messe bei-
zuwohnen, war er vollkommen eingeseift.
Czernin hatte kurz vor dem Besuch Erzbergers in Wien in einem
Immediatbericht an seinen Kaiser der Meinung Ausdruck gegeben, daß
Österreich außerstande sei, den Krieg noch lange fortzusetzen. Es habe
nur die Wahl zwischen baldigem Frieden und völligem Untergang. Der Be-
richt war nur für Kaiser Karl und durch ihn für Kaiser Wilhelm II. und die
deutsche Oberste Heeresleitung bestimmt, um auch sie für einen Ver-
ständigungsfrieden zu gewinnen. Es ist so gut wie sicher, daß die Herzogin
von Parma den Czerninschen Bericht, der ihr von ihrem Schwiegersohn
mitgeteilt worden war, dem Abgeordneten Erzberger zugesteckt hat. Erz-
berger verlas diesen Bericht in einer Versammlung von Zentrumsleuten,
die bald nachher in Frankfurt a. M. stattfand. Obwohl Erzberger hierbei
den streng vertraulichen Charakter seiner Mitteilung betont hatte und trotz
seines Verbotes, Notizen zu machen, gelang es einigen Zuhörern, Teile des
Berichts mitzustenographieren. Diese Abschriften gelangten in die Schweiz
und von dort zur Kenntnis der Entente, deren Siegeszuversicht dadurch in
hohem Grade gesteigert wurde. Als später der Reichstag mit zweihundert-
vierzchn Stimmen des Zentrums, des Freisinns und der Sozialdemokratie
gegen einhundertsechzehn Stimmen und siebzehn Enthaltungen eine
Friedensresolution annahm, worin erklärt wurde, der Reichstag erstrebe
einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der
Völker, mit dem erzwungene Gebictserwerbungen, politische, wirtschaft-
liche und finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar wären, wurden Frank-
reich und England endgültig in ihrem Entschluß bestärkt, den Kampf gegen
Deutschland bis zu seiner völligen Entscheidung fortzusetzen. Die