DIE FRONT 281
Gebäude derartig zu erschüttern, daß es letzten Endes doch einmal zu-
sammenbreche. In stürmischem Siegeslauf brach die deutsche Infanterie
unter dem Schutz der vorwärtsrollenden „Feuerwalze“ in die englischen
Stellungen ein. Sie entriß den Engländern unter Einbringung großer Beute
Bapaume, wo ich als junger Husar fast ein halbes Jahrhundert früher ge-
fochten, sie erreichte Montdidier und Albert, wohin ich damals manche
Patrouille geritten hatte. Aber bis Amiens kamen wir diesmal nicht. Ob-
wohl zwei englische Armeen geschlagen waren, unsere Tapferen fast
hunderttausend Gefangene gemacht, über tausend Geschütze erobert
hatten, wurde ein strategischer Gewinn nicht erzielt. Zu groß war die Über-
macht der Feinde, denen das Menschen- und Kriegs-Material fast der
ganzen Welt zur Verfügung stand. Die letzte Entscheidung gaben die nach
Europa transportierten amerikanischen Truppen.
Gegenüber so heroischen Leistungen des deutschen Heeres verstummt
jede Kritik. Ich will jedoch nicht verhehlen, daß ich in jenen Tagen mich
oft gefragt habe, ob es richtig war, daß wir an der Somme standen und an
der Weichsel, in den Vogesen und in den Karpathen, in Kurland und in der
Ukraine, am Isonzo und am Euphrat, daß wir in Rumänien und in Palä-
stina fochten. Ich habe damals wiederholt gesagt und auch nach Berlin
geschrieben, daß Napoleon trotz seines Genies und trotz des fast uner-
schöpflichen Menschenmaterials, das ihm die von ihm unterjochten Völker,
die Deutschen und die Italiener, die Holländer und die Belgier, liefern
mußten, schließlich doch unterlag, als er Moskau und Madrid, Rom und
Amsterdam besetzt hielt. Qui trop embrasse, mal £treint. Es wäre besser
gewesen, wenn wir uns aus dem Osten zurückgezogen und ganz auf den
Westen konzentriert hätten. Mit äußerster Spannung, mit Herzklopfen
verfolgte ich den zweiten deutschen Angriff in Frankreich, die Schlacht an
der Lys, den dritten Angriff, die Eroberung von Soissons durch unseren
tapferen Kronprinzen.
Der vierte deutsche Angriff mit dem Ziele Reims, das durch die Er-
oberung von Epernay im Westen und Chälons-sur-Marne im Osten um-
klammert, uns von selbst zufallen sollte, brachte im Juli 1918 die militä-
rische und damit, wie die Dinge lagen, die welthistorische Wende. Der
Marne-Übergang gelang glänzend. Aber die deutschen Pläne waren ver-
raten worden. Der Feind hatte in Kenntnis unserer Absichten die Ver-
teidigung in die zweite Stellung verlegt. Ich hörte sogleich, daß in jenen
Tagen sich zum ersten Male Zeichen moralischer Zersetzung im Hlcere be-
merkbar machten. Manche Truppenteile versagten den Gehorsam. Regi-
menter, die tapfer vorgingen, wurden von sozialistisch verseuchten
Truppenteilen, denen sie begegneten, mit dem schmählichen Ruf „Streik-
brecher“ begrüßt. Es ist allgemein bekannt, daß ein angesehener englischer