DIE NEUEN MINISTER 301
als der gute Prinz sich das vorgestellt haben mochte. Unter dem Eindruck
der ungewohnten Anstrengungen und Aufregungen konnte er bald nicht
mehr schlafen. Er griff zu Schlafmitteln, was wiederum zur Folge hatte,
daß er am nächsten Tag erst am Nachmittag arbeitsfähig wurde. Seine
Ministerkollegen, die Sozialisten Scheidemann und Bauer, die Klerikalen
Erzberger, Groeber und Trimborn, die Demokraten Haußmann und Payer,
waren keine französischen Jakobiner, keine Revolutionäre großen Stils. Sie
haben Gott sei Dank keine Guillotine errichtet, aber sie haben auch keine
Levee en masse veranstaltet, nicht vierzehn Armeen aus der Erde gestampft,
eine Marseillaise flog ihnen nicht voran. Wohl aber war bei einiger Festig-
keit, mit etwas Geschicklichkeit ganz gut mit diesen Tiefenbachern auszu-
kommen. Als ich einen links, sogar sehr links gerichteten Abgeordneten bei
einer gelegentlichen Begegnung, nicht lange vor dem Umsturz, frug, ob
nach seiner Ansicht Herr Scheidemann lieber Minister der deutschen
Republik werden oder Minister Kaiser Wilhelms II. bleiben wolle, ant-
wortete er nach kurzem Besinnen: „Doch wohl das letztere, namentlich
wenn damit die Aussicht auf die Exzellenz und vielleicht sogar auf ein
Ordensband verbunden ist.“ Erzberger strahlte, als er den Wirklichen Ge-
heimen Rat und damit die Exzellenz erreicht hatte, und hielt auch nach
dem Umsturz als republikanischer Nlinister nicht wenig darauf, mit Exzel-
lenz angeredet zu werden. Der biedere Payer war hocherfreut, als er nach
seiner Ernennung zum Staatssekretär von seinem gütigen Landesherrn, dem
König Wilhelm von Württemberg, das Großkreuz des Württembergischen
Friedrichsordens und damit den persönlichen Adel erhielt. Und Konrad
Haußmann vertraute mir persönlich an, wie glücklich er sei, es bis zum
Minister gebracht zu haben. Leider sei vorauszusehen, daß im neuen
Deutschland die Ministerherrlichkeit nicht allzu lange dauern würde, eine
Erkenntnis, welche die Daseinsfreude aller dieser Biedermänner einiger-
maßen zu trüben schien. Sein lebhaftester Wunsch wäre nun, nach seinem
Ende als Minister seine Wiederauferstehung als Diplomat zu feiern. Als
Süddeutscher fühle er sich für den Posten des deutschen Botschafters in
Wien besonders geeignet. Sollte er, wie er hoffe, einmal in den diploma-
tischen Dienst übertreten, so würde er sich bei mir, „dem Meister der
Diplomatie“, wie er mit einer Verbeugung hinzufügte, Rat holen.
Inzwischen hatte die von dem aus dem Zuchthaus entlassenen Karl
Liebknecht, von Rosa Luxemburg und Paul Levi geleitete, von dem
Sowjet-Botschafter Joffe subventionierte Spartakus-Gruppe immer
schamloser ihre revolutionäre Agitation betrieben. Auch das Organ der
Mehrheitssozialisten, der „Vorwärts“, entblödete sich nicht, an der Spitze
des Blattes zu erklären: „Deutschland, das ist unser fester Wille, soll seine
Kriegsflagge für immer streichen, ohne sie das letztemal siegreich