Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Marschall 
Graf Solms 
344 BÜLOWS AMTSVORGÄNGER 
an ihn gerichtet hatte: nicht durch übertriebenen und einseitigen Bau von 
Großkampfschiffen unser Verhältnis zu England einer allzu schweren 
Belastungsprobe auszusetzen. Non propter vitam vivendi perdere causas! 
Daß Tirpitz meinem Wunsch, mit England zu einem Agreement zu 
gelangen, ausweichend und zögernd gegenüberstand, warauch daraufzurück- 
zuführen, daß er sich bei diesem Widerstand der vollen Unterstützung des 
Kaisers sicher wußte. Abgesehen davon, daß Wilhelm II. die politischen 
Nachteile eines forcierten Baus von Großkampfschiffen nicht übersah, 
benutzte er, seitdem er sich innerlich von mir abgewandt hatte, gern jede 
Gelegenheit, sich mir unangenehm zu machen. 
Mein Amtsvorgänger als Staatssekretär des Äußern, der Freiherr von 
Marschall, schrieb mir zu meinem Rücktritt: „ Es drängt mich, Ihnen 
mit einem schlichten Wort zu sagen, wie sehr ich einerseits die Gründe 
würdige, welche Ihnen ein weiteres Verbleiben in Ihren Ämtern unmöglich 
erscheinen lassen, und wie tiefich auf der anderen Seite im Interesse unseres 
großen Vaterlandes Eurer Durchlaucht Rücktritt bedauere. Obwohl ich 
nach meinen politischen Gesinnungen der Konservativen Partei, der ich 
einst im Reichstag angehört habe, nahestehe, so bin ich mir doch darüber 
vollkommen klar, daß die innerdeutsche Politik weder von dem Gesichts- 
winkel der Konservativen Partei noch von demjenigen eines Bundes der- 
selben mit dem Zentrum auf die Dauer ersprießlich geleitet werden könne 
und daß besonders Gesetze einschneidender wirtschaftlicher und sozial- 
politischer Bedeutung wie die Reichsfinanzreform eine aktive Teilnahme 
des liberalen Bürgertums gebieterisch erheischen. Möge der Rücktritt 
Eurer Durchlaucht die Erkenntnis, daß es so ist, auch in diejenigen politi- 
schen Kreise hineintragen, welche für denselben die Verantwortung tragen. 
Nur wenn dies geschieht, wird unser inneres Volksleben vor schweren Er- 
schütterungen bewahrt bleiben. Bei diesem Anlaß ist es mir Herzenssache, 
Eurer Durchlaucht für die freundlichen und wohlwollenden Gesinnungen, 
die Sie mir stets entgegengebracht haben, meinen tiefgefühltesten Dank 
mit der Versicherung auszusprechen, daß die Erinnerung an die Jahre, in 
denen es mir vergönnt war, unter Ihrer Leitung an den großen Aufgaben, 
welche das Vaterland stellt, mitzuarbeiten, mir stets teuer sein wird. Euer 
Durchlaucht blicken auf lange Jahre treuer, mühevoller und auf allen 
Gebieten erfolgreicher Arbeit zurück. Von Herzen wünsche ich, daß das 
Otium cum dignitate, welches Ihnen die politischen Verhältnisse vorläufig 
auflegen, Ihnen die wohlverdiente Ruhe bringen wird.“ 
Graf Eberhard Solms, mein Vorgänger als Botschafter in Rom, der in 
der Bismarckschen Zeit als jüngerer Diplomat in Wien, später als Bot- 
schaftsrat in Paris in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre einen tieferen 
Einblick in die Weltverhältnisse gewonnen und dem Lande gute Dienste
	        
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