DER SPRUNG IN DEN PALAZZO CAFFARELLI 35
erregt hatte, ein Nachfolger mit stillem und bescheidenem Auftreten
wie Gottlieb Jagow adaptiert erschien. Als letzterer seine Bestimmung er-
fuhr, den ungeheuren Sprung von Luxemburg in den Palazzo Caffarelli,
schwamm er in Seligkeit. Ich hatte ihm die frohe Botschaft vor einem
kleinen Diner bei uns mitgeteilt. Nach Tisch näherte er sich mir in meiner
Bibliothek. Er begann mit stockender Stimme: „Durchlaucht, ich bin kein
Redner!“, eine Behauptung, die unzweifelhaft richtig war, wie sich heraus-
stellte, als er vier Jahre später, 1913, unter Bethmann Staatssekretär des
Äußern wurde. 1909 fuhr Jagow fort: „Aber das möchte ich Eurer Durch-
laucht sagen, meine Dankbarkeit, meine Treue und, wenn ich es sagen
darf, meine Liebe zu Eurer Durchlaucht werden nur mit meinem letzten
ÄAtemzuge aufhören.“ Ich erwiderte ihm: „Sie kennen die römischen Ver-
hältnisse aus langjährigem Aufenthalt. Ich denke, Sie werden Ihre Sache
gut machen und, was Monts verpfuscht hat, wieder ins Lot bringen. Was
das übrige angeht, so tragen Sie einen guten Namen, und ich hoffe, Sie
werden sich dementsprechend benehmen.“ Ach, auch diese Hoffnung trog!
Damals schrieb Jagow an meine Frau: „Hochverehrte Frau Fürstin! Heute
erhielt ich den Erlaß, der meine definitive Ernennung enthält. An einem
Höhepunkt des Lebens zu stehen, ist ein schöner Augenblick, den Freude
und Dankbarkeit erfüllt, und es drängt mich, Ihnen zu sagen, wie glücklich
und wie dankbar ich bin. Darf ich Sie bitten, meinen Gefühlen aufrich-
tiger Dankbarkeit auch dem Fürsten gegenüber Ausdruck zu geben. Ich
möchte ihn bei seiner schon allzu besetzten Zeit nicht noch mit einem Brief
belästigen. Dieser dornenvolle Winter hat wirklich schon fast übermensch-
liche Anforderungen an seine Kräfte und Nerven gestellt. Hoffentlich ge-
lingt es mir, sein Vertrauen einigermaßen zu rechtfertigen. Donna Laura
scheint es ja nach allen Briefen, gottlob, ausgezeichnet zu gehen. Trotz
ihrer achtzig Jahre hat sie sich die Herzensfrische und Geistesfrische einer
Zwanzigjährigen bewahrt. Ich freue mich so, sie wiederzusehen, und werde
sie hegen und pflegen, soweit dies in meinen Kräften steht. Von Flotow
erhalte ich aus Italien zu meiner Freude bessere Nachrichten. Seine Briefe
aus Berlin waren so furchtbar deprimiert und hoffnungslos. Der Luft-
wechsel scheint ihm sehr gutgetan zu haben. In treuester und dank-
barster Verehrung bleibe ich stets Eurer Durchlaucht gehorsamster
Jagow.“
Nach meinem Abgang richtete der inzwischen nach Rom übergesiedelte
Jagow von dort am 14. Juli 1909 den nachstehenden Brief an meine Frau:
„Hochverchrte Frau Fürstin! Vielleicht sollte ich jetzt, wo die Ent-
scheidung gefallen, Ihnen gratulieren, daß Sie der Berliner Tretmühle ent-
ronnen sind; aber ein für das Vaterland so folgenschweres Ereignis, wie es
der Rücktritt des Kanzlers von der Leitung unserer Politik ist, bewegt mich
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