RATHENAUS WESEN 41
geränderte Band des Zanzibarischen Ordens vom „Strahlenden Stern“.
Umgekehrt versicherte Dernburg jedem, der es hören wollte, daß sich Walter
Rathenau durch unausgesetzte Selbstbespiegelung und fortwährendes
Selbstlob allen Mitreisenden unausstehlich gemacht habe. Treitschke meint
im vierten Band seiner Deutschen Geschichte, daß, als sich Heine und
Börne veruneinigt hätten, alle üblen Gerüche des Getto in dicken Schwaden
über Deutschland hingezogen wären. Als Walter Rathenau und Bernhard
Dernburg aneinandergerieten, roch es auch nicht nach Rosen. Der Haupt-
vorwurf, der Walter Rathenau von seinen Bekannten gemacht wurde, war
der einer ungemessenen Eitelkeit. Ich möchte diesem Vorwurf nicht ohne
weiteres beitreten. Jedenfalls hat mich die viel getadelte Eitelkeit von
Walter Rathenau nie verletzt, weil sie durchaus naiv war. Albert Ballin,
der Walter Rathenau von Jugend auf kannte und seine brillanten Eigen-
schaften schätzte, erzählte gern, daß dieser iım einmal gesagt habe: „Seit
der Erschaffung der Welt hat es drei ganz große Männer gegeben, merk-
würdigerweise alle drei Juden: Moses, Jesus, — den dritten zu nennen,
verbietet mir meine Bescheidenheit.‘ Senon & vero, & ben trovato. Es läßt
sich nicht bestreiten, daß Walter Rathenau sehr persönlich, sehr ambitiös
war, zu persönlich und zu ambitiös, um einen wirklich brauchbaren diplo-
matischen Vertreter oder gar Leiter abzugeben. Nach seiner entsetzlichen
Ermordung meinte sein ihm herzlich zugetaner Staatssekretär Haniel zu
mir, für Rathenaus politischen Ruhm sei sein früher Tod ein Glück
gewesen, er würde als Minister des Äußern bald abgewirtschaftet haben.
Er sei bei reicher Begabung zu persönlich, zu unruhig, zu unstet gewesen,
habe jeden Tag einen neuen Einfall gehabt, aber keine Idee länger verfolgt
und keinen Plan reifen lassen. Vor allem habe er alle Vorgänge und alle
Menschen zu sehr vom rein subjektiven Standpunkt beurteilt.
Wenn ich Walter Rathenau gegen den oft erhobenen Vorwurf allzu
großer Eitelkeit in Schutz nehmen möchte — ich fand den Vater der Wei-
marer Verfassung, den Herrn Professor Dr. Hugo Preuß, als ich später seine
Bekanntschaft machte, bei geringerer Begabung noch viel eitler —, so gebe
ich doch zu, daß Rathenau zur Pose neigte, daß er nicht selten affektiert,
daß er bisweilen recht manieriert sein konnte. Ich weiß nicht, ob er wirklich,
wie Albert Ballin und Bernhard Dernburg gern erzählten, während sein
Vater in den letzten Zügen lag, die Gedenkrede memoriert hat, die er bei
der Trauerfeier zu halten beabsichtigte, und daß er vor dem Spiegel sorg-
sam die Gesten und Blicke einstudierte, mit denen er seinen Trauersermon
vortragen wollte. Der Sermon, den er mir später in Maroquin eingebunden
verehrte, war übrigens sehr schön. Unbestreitbar ist, daß Walter Rathenau
die Natürlichkeit abging, die nicht nur unseren Allergrößten, Kaiser Wil-
helm I. und Kaiser Friedrich, Bismarck, Moltke und Roon, Helmholtz und