44 DER „GRÖSSTE MANN DES JAHRHUNDERTS“
u. a. für den Geheimen Rat Witting und meine Wenigkeit verwandt; das
Gesuch sei abgelehnt worden. Daß die Nachricht in dieser Form, soweit sie
mich betrifft, als inkorrekt bezeichnet werden muß, geht aus den Zeilen
Seiner Exzellenz von Valentini hervor, die Eure Durchlaucht die Güte
hatten mir streng vertraulich zu übermitteln. Sollte man etwa Informa-
tionen bei Exzellenz Dernburg eingezogen haben, der auf diese Weise
Kenntnis auch anderer Namen bekam? Und sollten vielleicht in der Ant-
wort meine beiden Reisen in eines zusammengeflossen sein nach dem Muster
dessen, was man juristisch ‚fortgesetztes Delikt‘ nennt? Verzeihen Eure
Durchlaucht dieses Intermezzo, das ich der Kuriosität wegen einflocht, um
zu den ernsten und aufrichtigen Empfindungen dieses Tages zurückzu-
kehren. Ich war sehr glücklich über das blühende Aussehen und die Stim-
mung Eurer Durchlaucht und sehe meinen Eindruck durch die gütige Mit-
teilung bestärkt. Daß die Frau Fürstin so gnädig und freundlich sich meiner
erinnert und sich der Aufforderung anschließt, die mich zu einem Besuch
in Rom ermutigt, ehrt und erfreut mich aufs höchste. Die Frische, die ich
von Norderney heimbrachte, wurde in den letzten Tagen auf die Probe
gestellt und hat nicht hingereicht, mich gestern in Berlin zu halten; ich
ging über Land. Zu einer Zeit, als das Volk und die maßgebenden Faktoren
den ‚größten Mann des Jahrhunderts‘ mit Entschiedenheit ablehnten, war
ich, voll Bewunderung für die Opferfreudigkeit und Ausdauer des Grafen,
in der erfreulichen Lage, den Abschluß seines Lebenswerkes mit meinen
Kollegen von der Studiengesellschaft sicherstellen zu können. Der begei-
sterten technischen Begutachtung durch die Berliner Bevölkerung kann ich
mich leider als Ingenieur nicht anschließen, ebensowenig dem Enthusias-
mus, der alles in Schatten stellt, was Deutschland zu Lebzeiten Bismarcks
oder irgendeines seiner großen Staatsmänner, Denker und Dichter auf-
gebracht hat. In tiefer und treuer Verehrung Eurer Durchlaucht ergebenster
Walter Rathenau.“
Die bissige Wendung über die dem „größten Mann des Jahrhunderts“
dargebrachten Huldigungen ging natürlich auf den Grafen Zeppelin und
war der Ausfluß einer gewissen Neigung zu kleinlicher Eifersucht, die Rathe-
naus Freunde bisweilen an ihm störte. Dieam Anfang des Rathenauschen
Briefes gestreifteDifferenz mitExzellenz vonValentini bezog sich, ebenso wie
mein Brief an ihn, auf eine Ordensauszeichnung, die ich mich bemüht hatte
noch kurz vor meinem Rücktritt für Rathenau zu erwirken. Ich hatte ihm
ein Jahr vorher durch direkte Verwendung bei Seiner Majestät den Kronen-
orden zweiter Klasse verschafft. Der Orden und das prächtige blaue Band,
an dem er um den Hals getragen wurde, gefielen Rathenau sehr wohl, Ich
hätte gewünscht, ihm, der auf äußere Auszeichnungen Wert legte, vor
meinem endgültigen Rücktritt mit dem Stern zum Kronenorden, der bei