Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

48 ‚BERNHARD HAT MICH VERRATEN!“ 
mit einigen Späßen. Beim Dessert trank er mir zu, und gleich nach der 
Tafel kam er, obgleich ich mich nicht bemerkbar gemacht hatte, durch den 
halben Saal direkt auf mich zu und schüttelte mir die Hand mit den Worten: 
‚Wir haben uns ja noch gar nicht gesehen seit Bernhards Abgang.‘ Während 
er sich seine Zigarette an meiner Zigarre ansteckte, sagte ich: ‚Nein, 
Majestät, ich war aber vierzehn Tage bei Bernhard in Norderney.‘ ‚So, wie 
haben Sie ihn gefunden?‘ ‚Sehr frisch, Majestät, wir ritten alle Tage zu- 
sammen, und ich war erstaunt, wie schneidig er reitet.‘ ‚So, und wie haben 
Sie ihn sonst gefunden ?* ‚Eure Majestät wissen, daß ich ein treuer Freund 
Bernhards bin; ich würde aber nicht wagen, meine Eindrücke freimütig zu 
sagen, wenn Eure Majestät mich nicht direkt darauf angesprochen hätten: 
Ich fand Bernhard auch geistig sehr frisch, aber tief gekränkt, weil er weiß, 
wie Eure Majestät über ihn sprechen.“ ‚Es ist mir sehr schwer geworden, 
mich von Bernhard zu trennen, er hat mich aber in den Novembertagen 
verraten. Wie wir zusammen standen, durfte er im Reichstag nicht 
zugeben, daß ich unkonstitutionell gehandelt hätte, er mußte sagen, daß 
er das alles gewußt und gebilligt hätte.‘ ‚Das kann ich nicht beurteilen, aber 
Eure Majestät wollen verzeihen, wenn ich sage, daß Eure Majestät niemals 
populärer gewesen sind wie jetzt, und das würde doch nicht der Fall sein, 
wenn Bernhard falsch operiert hätte,wenn er damals anders gehandelt hätte, 
als er gehandelt hat. Ich kann versichern, daß er das getan, was er in dem 
Moment für das Richtige hielt im Interesse Eurer Majestät und der Dynastie, 
und daß Eure Majestät niemals einen loyaleren Diener gehabt haben als 
Bernhard. Die jetzige Popularität Eurer Majestät spricht noch dafür, daß 
Bernhard den richtigen Weg eingeschlagen hat.‘ ‚Ja, gewiß, das Volk jubelt 
mir überall zu, in ganz Deutschland ist man auf meiner Seite. Das Volk will 
mir eben zeigen, daß es weiß, daß mir bitter Unrecht geschehen ist.‘ ‚Ver- 
zeihen Eure Majestät, aber zu diesem Umschwung hat doch Bernhards ganze 
Haltung wesentlich beigetragen, der Erfolg spricht doch für ihn, und wenn 
Eure Majestät ihm nun gar vorwerfen, daß er sich damals von Harden 
hätte beeinflussen lassen, so ist das doch kränkend. Bernhard hat Harden, das 
weißich bestimmt, nie gesprochen, nie gesehen oder mit ihm verkehrt. Harden 
hat ihn vom ersten bis zum letzten Tage verfolgt und auch jetzt nach seinem 
Sturz.‘ ‚Das mag sein; dann ist es aber indirekt geschehen durch Holstein, 
der hatte Bernhard ganz eingesponnen das letzte halbe Jahr, der hat 
Deutschland regiert.‘ ‚Eure Majestät entsinnen sich vielleicht, daß ich 
Holstein immer gehaßt und seinen Einfluß im Auswärtigen Amt in früheren 
Jahren bedauert habe — aber einen solchen Einfluß, wie Eure Majestät 
glauben, hat er auf Bernhard nie gehabt. Bernhard hat mir oft gesagt, daß 
er Holstein nach dessen Sturz weiter gesehen habe aus zwei Gründen: 
erstens weil Holstein zu viel gewußt habe, was er, wenn gereizt, zum
	        
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