Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

NOCHMALS DER „DAILY TELEGRAPH“ 51 
Art, daß er aus Eitelkeit oder Rechthaberei eine Behauptung aufstellte, 
von der er ursprünglich wohl wußte, daß sie nicht wahr war, die er aber 
so lange wiederholte, bis er schließlich selbst an sie glaubte. Als ich 
die unwahren „Enthüllungen‘“ der „Märkischen Volkszeitung“ und der 
„Kreuz-Zeitung‘ gelesen hatte, bat ich den Staatssekretär von Schön an 
das Telephon, das Norderney mit Berlin verbindet, und ersuchte ihn, dieser 
plumpen Wiederaufwärmung schon mehrfach widerlegter Klatschereien 
und Lügen amtlich entgegenzutreten. Ich fügte hinzu, daß es nach meiner 
pflichtmäßigen Überzeugung weder der Wahrheit, noch dem Interesse des 
Landes, noch insbesondere dem Interesse des Kaisers entspräche, meinen 
Rücktritt auf die Novemberereignisse und überhaupt auf Differenzen mit 
der Krone zurückzuführen. Schön erwiderte mit einer Stimme, der selbst 
durch das Telephon Verlegenheit anzumerken war, daß er mich beschwöre, 
auf die genannten Verdächtigungen nicht meinerseits in der Presse zu 
antworten, da eine derartige Polemik der Krone zu schwerem Schaden 
gereichen könne. Er sei überzeugt, daß der Reichskanzler, mit dem er sich 
alsbald in Verbindung setzen wolle, für Remedur sorgen werde. 
Ich richtete daraufhin an meinen Nachfolger ein längeres, in der Form 
sehr ruhig gehaltenes, sachlich bestimmtes Schreiben, in dem es hieß: 
„Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes wird Ihnen gemeldet haben, 
daß ich gegenüber den unwürdigen Verdächtigungen, denen ich seit einiger 
Zeit ausgesetzt bin, ein amtliches, unzweideutiges und entschiedenes 
Dementi für notwendig halte. Die gegen mich verbreiteten Anschuldigungen 
sind dreiste und unsinnige Lügen. Es ist nicht wahr, daß ich von dem 
Inhalt des im ‚Daily Telegraph‘ veröffentlichten Artikels vorher etwas 
gewußt hätte. Ich habe das umfangreiche Manuskript im Drange der 
Geschäfte und im Vertrauen auf meine Untergebenen seinerzeit nicht 
selbst gelesen und war überrascht und entsetzt, als ich es einige Wochen 
später aus der mir vorgelegten Wolff-Depesche kennenlernte. Die Ver- 
öffentlichung des Interviews durch Wolff ist spontan erfolgt, ohne vorherige 
Anfrage bei mir. Das Interview enthielt eine Reihe allgemeiner Be- 
trachtungen über das Wünschenswerte einer Verbesserung der deutsch- 
englischen Beziehungen, die harmlos waren. Es enthielt eine Bemerkung 
über die englandfeindliche Stimmung weiter deutscher Kreise, die besser 
nicht Seiner Majestät in den Mund gelegt worden wäre, aber relativ 
unschädlich war. Das Interview enthielt aber weitere drei Punkte, auf 
welche die Sensation zurückzuführen war, die es in der Welt hervorrief, und 
die Erregung, die in Deutschland entstand: Die Behauptung, daß Seine 
Majestät Rußland und Frankreich verhindert hätte, England bis in den 
Staub zu demütigen; die Behauptung, daß Seine Majestät für England den 
Feldzugsplan gegen die Buren ausgearbeitet hätte und daß dieser Plan mit 
ss 
Brief Bülows 
an Beihmann
	        
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