DIE „DEGAGIERTE“ KRONE 59
ist. Ich bezweifle es. Doch genug davon, mögst Du Deinen Gleichmut
bewahren wie bisher. In schlaflosen Nächten gehen mir diese Dinge durch
den Kopf, und ich konnte mich nicht zurückhalten. Viele Grüße der lieben,
verehrten Fürstin. In Gedanken viel bei Euch Dein B. K.“
In meiner Antwort an meinen Waffenbruder aus großer Zeit, mit dem
ich Schulter an Schulter in der Schlacht an der Hallue attackiert hatte,
hieß es: „Ich habe in diesen Tagen manche Zeichen von Anhänglichkeit
und Wohlwollen erhalten, aber keine schöneren und verständnisvolleren
als die Deinigen. Als vor bald einem Jahre die Bombe platzte, von der ich
nicht wußte, welchen Sprengstoff sie in sich barg, war mein erster und
leitender Gedanke, Seine Majestät den Kaiser aus der Schußlinie zu bringen.
Ich hatte, mit Arbeit überhäuft, durch schwerwiegende, sehr ernste Auf-
gaben der inneren und äußeren Politik absorbiert, im Vertrauen auf meine
Untergebenen (Schön, Stemrich, Müller, Klehmet) das Manuskript des
‚Daily-Telegraph‘-Artikels nicht selbst geprüft. Meine Untergebenen hatten
aus Respekt vor kaiserlichen Äußerungen, in der Befürchtung, daß nach-
trägliche Korrekturen die Sache noch schlimmer machen könnten, und
wohl auch aus Mangel an Perspikazität die Sache durchgelassen. Dieses
Versäumte benutzte ich, um in dem Dir bekannten Artikel der ‚N. A. 2.
als alleinverantwortlicher Beamter im Reich alle Verantwortung auf mich
allein zu nehmen. Ich stellte das Auswärtige Amt und mich selbst
rücksichislos bloß, um die Krone zu degagieren. In diesem Sinne wurde
auch, soweit sie zugänglich war, auf meine Weisung die Presse instruiert.
Es gibt aber Strömungen, die sich nicht länger zurückdrängen, die sich nicht
mehr aufhalten lassen. Es gibt Situationen, wo lange angesammelter
Zündstofl eine Explosion herbeiführt. Trotz meiner Bemühungen gingen
öffentliche Meinung, Presse, die ganze Nation über die formale Schuldirage
und über das Versäumnis im Auswärtigen Amt stürmisch weg, um sich nur
an die Frage zu halten: Hat Seine Majestät wirklich solche Dinge gesagt ?
Und wenn ja, wie soll die Wiederholung solcher Vorkommnisse verhindert
werden? Es war eben seit zwanzig Jahren zu viel vorausgegangen, was die
weitesten Kreise erregt und verstimmt hatte. Gegenüber diesen mit
elementarer Gewalt durchbrechenden Strömungen verlor ich nicht den
Kopf, sondern richtete alle meine Bemühungen auf das eine Ziel: Ver-
hindern, daß die Krone aus diesem Sturm geschwächt hervorgehe, dahin
wirken, daß sie, wenn der Sturm sich gelegt, ebenso fest und sicher und
glanzvoll dastehe wie vorher, im Innern und nach außen, vor den deutschen
Fürsten und vor dem deutschen Volke. Denn die Kaiserkrone ist der
Schluß- und Eckstein unserer Einheit, Sicherheit und Zukunft. Um dies
Ziel zu erreichen, durfte ich Seine Majestät den Kaiser diesesmal nicht
dialektisch verteidigen wie früher im Lippe-, im Swinemünder und in
Bülovs -
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