Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Ankunft 
in Rom 
In der 
Villa Malta 
66 WOLLTE BÜLOW ZURÜCKKOMMEN? 
Über oder richtiger gesagt durch den Gotthard, den ich einst zu Fuß 
überschritten hatte, führte uns der Eisenbahnzug weiter nach Italien, nach 
Rom, das mich nach zwölf Jahren wieder aufnahm, Ich habe die be- 
ruhigende, die heilende, klärende und aufrichtende Kraft der Ewigen Stadt 
nie stärker empfunden, als nachdem ich mich vom Reichskanzleramt und 
damit von der Macht, dem Einfluß, der Möglichkeit, Gutes und Nützliches 
zu wirken, aber auch von den Enttäuschungen, Bitternissen und Sorgen 
dieses Amts nach menschlicher Voraussicht für immer getrennt hatte. Die 
Ranküne des in seiner Eitelkeit verletzten Kaisers, der kleinliche Haß der 
Parteien, die ich im Staatsinteresse bekämpft hatte, die unruhige Eifersucht 
des mit allen Kräften an seinem Posten klebenden Bethmann, die so weit 
ging, daß er während der Kriegsjahre meinen persönlichen Verkehr im 
Hotel Adlon durch Geheimagenten überwachen ließ, haben mir angedichtet, 
ich verzehrte mich in dem Verlangen, wieder in das Reichskanzlerpalais 
einzuziehen. 
D überstelleich klippund klar dienachstehenden drei Punktefest: 
l. Ich würde, wenn ein solcher Ruf an mich ergangen wäre, jederzeit 
bereit gewesen sein, die Führung der Geschäfte wieder zu übernehmen. 
2. So weit menschliche Voraussicht reicht, bin ich überzeugt, daß ich, 
vor Ende Juli 1914 zurückgerufen, den Ausbruch des Krieges verhindert 
hätte. Unter allen Umständen würde ich, wenn ich vor der Überreichung 
des Ultimatums an Serbien um meine Meinung gefragt worden wäre, 
von einer solchen Dummheit mit allen Kräften abgeraten haben, wie ich 
den Weichensteller aufgerüttelt haben würde, den ich vor der Einfahrt 
zweier sich kreuzender Eisenbahnzüge schlafend angetroflen hätte. Jeden- 
falls und unter allen Umständen würde ich im Juli 1914 darauf bestanden 
haben, daß Österreich manu militari gegen Serbien erst nach eingehender 
Prüfung der serbischen Antwort durch Deutschland und mit deutscher Er- 
laubnis vorgehen dürfe. 
3. Weder in die Situation eingeweiht noch jemals um Rat gefragt, 
konnte ich nicht helfen. Ich wußte aus langer Praxis zu gut, daß sich ohne 
genaue Kenntnis der ganzen politischen Lage wohl kannegießern, aber kein 
Rat erteilen läßt. Daß ich versucht hätte, nach meinem Rücktritt durch 
Intrigen wieder an die Spitze zu kommen, ist eine alberne Verleumdung. 
In Rom nahm uns die Villa Malta auf, die ich fünf Jahre früher gekauft 
hatte dank einer Erbschaft, die ich von einem Vetter meiner Mutter, 
Wilhelm von Godeffroy, gemacht hatte. Mein im Beginn meiner Aufzeich- 
nungen erwähnter Urgroßvater Martin Johann Jenisch hatte drei Töchter. 
Die älteste heiratete meinen Großvater Wilhelm Rücker, die zweite den 
hanseatischen Gesandten in Berlin Karl Godeffroy, dessen Vorfahren aus 
Genf nach Hamburg gekommen waren, die jüngste den gleichfalls schon 
 
	        
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