Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

vl. KAPITEL 
Der Krieg von 1866 - Würdigung der Politik Bismarcks » Bismarck und Edwin Manr- 
teuffel - Die damaligen Vertreter Preußens im Ausland 
ie Spannung, mit der ganz Deutschland im Jahre 1866 die Entwick- 
lung der Ereignisse verfolgte, war ungeheuer und schlug ihre Wogen bis 
in das stille Halle. Die großen Zusammenhänge, die weitschauenden Pläne 
Bismarcks ahnte damals freilich noch niemand. Man fühlte, daß eine eiserne 
Hand führte, aber man hatte keine klare Vorstellung von den eigentlichen 
Zielen des leitenden Staatsmannes. Wenn ich jetzt, nach fast sechs Dezen- 
nien, die Eindrücke und Erinnerungen meiner Jugend niederschreibe, tritt 
die Lage, wie sie im Jahre 1866 gegeben war, klar vor mein geistiges Auge. 
Es ist mir ein Bedürfnis, in schmerzlichem Erinnern an die Katastrophe, die 
im Jahre 1914 die Unfähigkeit der leitenden Männer über das deutsche Volk 
heraufbeschwor, die Genialität zu beleuchten, mit der Bismarck im Jahre 
1866 alle Karten in seine Hand zu bekommen, das Schicksal der Nation 
zu führen, alle Hindernisse zu meistern wußte. 
Am 14. März — wenige Tage vor meiner Konfirmation — richtete der 
preußische Ministerpräsident an die Vertreter Preußens bei den deutschen 
Regierungen jenen monumentalen Erlaß, der eine der gewaltigsten Kund- 
gebungen ist, die aus seiner Feder geflossen sind. Es hieß in diesem Schrift- 
stück: „Schon durch die geographische Lage wird das Interesse Preußens 
und Deutschlands identisch — dies gilt zu unsern wie zu Deutschlands 
Gunsten. Wenn wir Deutschlands nicht sicher sind, ist unsere Stellung 
gerade wegen unserer geographischen Lage gefährdeter als die der meisten 
anderen europäischen Staaten; das Schicksal Preußens aber wird das 
Schicksal Deutschlands nach sich ziehen, und wir zweifeln nicht, daß, wenn 
Preußens Kraft einmal gebrochen wäre, Deutschland an der Politik der 
europäischen Nationen nur noch passiv beteiligt bleiben würde. Dies zu ver- 
hüten, sollten alle deutschen Regierungen als eine heilige Pflicht ansehen 
und dazu mit Preußen zusammenwirken. Wenn der Deutsche Bund in 
seiner jetzigen Gestalt und mit seinen jetzigen politischen und militärischen 
Einrichtungen den großen europäischen Krisen, die aus mehr als einer Ur- 
sache jeden Augenblick auftauchen können, entgegengehen soll, so ist nur 
Bismarcks 
Erlaß vom 
14. März 1866
	        
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