274 Die Römer.
sich der 24fährige Sohn des gefallenen P. Scipio an, den Tod seines
Vaters und Oheims zu rächen. Dieser junge Mann war das Muster-
bild eines ächten Römers; voll Glaubens an die Götter seiner Vater-
stadt besuchte er täglich den Tempel im Kapitol und weilte dort einsam
im Gebet und andächtigem Sinnen; dieses Vertrauen auf die Götter
verlieh ihm Vertrauen zu sich selbst als ihrem erkorenen Werkzeuge und
erfüllte das Volk mit Ehrfurcht vor ihm. War er auch kein Feldberr
wie Hannibal, welcher das Glück selbst zu bezwingen schien, so besaß er
dagegen die römische Kühnheit und Klugheit in vollem Maße und ver-
stand es, seine ihm zu Gebote stehenden Mittel im ganzen Umfange zu
benützen, hatte auch Scharfblick genug, das Glück auf Wegen zu ver-
folgen, vor denen andere als vor einem Wagestück zurückgeschreckt wären.
In Spanien angekommen, wohin er eine Verstärkung von 11,000 Mann
geführt, stellte er das Selbstvertrauen des Heeres durch die Zuversicht
her, mit welcher er seine Anordnungen traf und leitete. Gleich im Früh-
linge des folgenden Jahres (210) führte er einen Hauptschlag aus; er
war über den Ebro gegangen und belagerte Neukarthago, den Haupt-
waffenplatz des Feindes. Bald bemerkte er, daß zur Zeit der Ebbe die
Stadt von der Seeseite zugänglich sein müsse und erstürmte sie glücklich.
Mit ihr eroberte er eine feste Stellung für den Krieg, ungeheure Vor-
räthe an Waffen und Kriegsmitteln aller Art, und zugleich fielen ihm
die Geißeln in die Hand, welche die Karthager aus den vornehmsten
Familien der spanischen Völkerschaften als Unterpfand ihrer Treue nach
Neukarthago gebracht hatten. Er behandelte sie großmüthig, ehrte die
Tugend der schönen gefangenen Jungfrauen und gewann dadurch die
Herzen der Spanier. Er schlug den Hasdrubal, Hannibals Bruder,
konnte ihn aber nicht hindern, über die Pyprenäen nach Jtalien vorzu-
dringen. Dagegen unterlag ihm ein anderer Hasdrubal sowie Hannibals
Bruder Mago, und nach vier Jahren war durch Scipio Spanien den
Karthagern entrissen und ihnen so der Hauptnerv des Krieges abge-
schnitten.
Der Krieg in Italien und auf Sieilien.
Unterdessen hatten sich die Römer in Italien in ihrer gebarnischten
Vertheidigungsweise gehalten. Fabius Maximus und Marcellus lieferten
dem Hannibal einzelne glückliche Gefechte und engten ihn mehr und mehr
ein. König Philipp von Makedonien machte Miene, den karthagischen
Feldherrn über das adriatische Meer zu unterstützen; aber Lävinus trat
nun in Griechenland gegen ihn auf, Aetolier, Elier und Spartaner ver-
banden sich mit diesem gegen Philipp, der dadurch in Griechenland selbst
genug zu thun bekam.