Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

28 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie. 
ist die ganze weite Fläche eine große Einöde ohne Anbau, ohne Baum 
und Strauch. Selbst der Boden scheint verändert, denn eine Menge 
Salzefflorescenzen bedeckt ihn, wodurch er des Anbaues unfähig ge- 
worden ist. 
Die Anlage von solchen Bauten, Kanälen u. s. w. beweist bin- 
länglich, daß die Babylonier zu rechnen und zu messen verstanden, auch 
der große Handelsverkehr setzt ebenso nothwendig eine genaue Einthbei- 
lung von Maß und Gewicht voraus; die Alten schreiben ihnen auch 
wirklich die Ausbildung der Arithmetik, Geometrie sowie der Gewicht- 
und Maßpverhältnisse zu. Dies Verdienst nahmen ihre Priester (von den 
spätern Griechen und Römern Chaldäer genannt) für sich in Anspruch; 
sie beobachteten auch die Gestirne und zeichneten ihre Beobachtungen auf, 
berechneten die Finsternisse, kannten die Länge des Sonnenfsahres, den 
Mondepyklus und den Thierkreis. Sie waren zugleich die Annalisten, das 
heißt, sie führten die Jahrbücher des Reiches, und zwar nicht etwa auf 
Papierrollen, sondern in einer Keil= oder Nagelschrift, mit welcher Back- 
steine und Thoncylinder beschrieben wurden, denen sie durch Feuer und 
Glasur eine nur durch Gewalt zerstörbare Festigkeit gaben. Diese Prie- 
ster (oder Chaldäer) waren ein eigener Stamm, welcher seine Würde 
und Wissenschaft vererbte, aber keinen guten Nachruhm hinterlassen hat. 
Der Götterdienst nämlich bestand zu Babpylon vielfach in Unzucht; Men- 
schenopfer waren ihm wohl auch nicht fremd, wie denn Wollust und 
Grausamkeit sich bei tyrannischen Menschen und Völkern vielfach ver- 
einigt finden. Der Prophet Daniel überwies die Priester der Betrügerci; 
als Sterndeuter waren sie den Griechen bekannt, und später wurden 
Traumdeuter, Zauberer oder vielmehr Gaukler und Leute ähnlichen 
Schlags allgemein Chaldäer genannt, obwohl gewiß nicht alle aus Ba- 
bplonien kamen. Die Priesterschaft trug auch ohne Zweifel das Meiste 
zu der Widerspenstigkeit bei, mit welcher Babylon die fremde Herrschaft 
ertrug, wofür es harte Züchtigung erlitt und im allmähligen Zerfalle 
verödete. 
Die Ruinen von Babylon und Niniveb. 
Im 4. Jahrhundert sah der hl. Hieronpmus die Stätte Babylons 
mit Gestrüppe überwachsen, ein Aufenthalt wilder Thiere, wie es der 
Prophet vorausgesagt hatte, daß ihr geschehen werde zur Strafe für 
ihre Abgötterei, Wollust und Grausamkeit. Heut zu Tage findet der 
Wanderer in der Nähe des elenden Städtchens Hylla, soweit das Auge 
reicht, Schutthaufen, bald höher, bald niederer, oft in großen Gruppen; 
einer dieser Schutthaufen, an einer Seite 141 Fuß hoch, wird als der 
Rest des Belusthurmes angesehen. Die Wißbegierde europäischer For- 
scher hat sich schon lange diesen Trümmern zugewendet und beschäftigt
	        
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