Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Die Normannen. 99 
Germanen zu furchtbaren Kriegern, deren Kampflust durch ihre Religion 
noch gesteigert wurde. Dieselbe steht mit der eigentlich germanischen be- 
kanntlich im engsten Zusammenhange; sie ist ein Polytheismus, welcher 
den ursprünglichen Glauben an einen Gott noch durchschimmern und 
ziemlich genau erkennen läßt, auf welche Weise der eine Gott in ver- 
schiedenen Thätigkeiten erscheinend allmählig in der Vorstellung des 
Volkes zu einer Mehrzahl von Göttern wurde. Auch finden sich in der- 
selben Anklänge an die alten orientalischen Religionen (Erinnerungen 
aus der gemeinschaftlichen Urzeit der Völker), im Ganzen aber erweist 
sich diese sogenannte Naturreligion als eine ächte Tochter des europäischen 
Nordens. 
Im Anfang (erzählt die Sage) waren Niflheim, die Welt der 
Kälte, und Muspelheim, die Welt des Feuers; aus den Funken, die 
auf das Eis fielen, entstanden Riesen und Götter, welche die jetzige 
Welt schufen und ordneten. Die Erde (Midgard) ist von dem Meere 
umgeben, in welchem die ungeheure Midgardsschlange liegt; unter ihr 
ist Nislheim, Helas Wohnung, düster, kalt, freudelos; ober ihr Asgard, 
die Wohnung der Götter und Göttinen, durch die Brücke Bifrost (Regen- 
bogen) mit Midgard verbunden. Die Götter (Asen, d. h. die Glän- 
zenden; Odin steht an ihrer Spitze; den zwölf Asen entsprechen zwölf 
Asinen) haben den bösen Loki gefesselt und ebenso auch die andern Un- 
getbüme, welche nur auf die Vernichtung der jetzigen Welt sinnen. Die 
Götter walten über die Natur und spenden deren Gaben, sie wachen 
auch über die Menschen und deren Werke, verleihen Kraft, Muth, Er- 
kenntniß, Sieg und Neichthum. In Asgard, in Odins Palast, ist Wal- 
halla, der herrliche Saal, in welchem durch 450 Thore die Helden und 
alle in der Schlacht Gefallenen eingehen, Meth trinken, vom Eber 
schmausen und den Gesängen Bragas, des liederreichen Gottes, horchen; 
auch ziehen die Helden (Einheerier) aus und erschlagen einander im 
Kampfspiele, Odin erweckt sie aber jedesmal wieder und versammelt sie zum 
Mahle. Die Frauen nimmt Odins Gemahlin Frigga in ihren Saal 
Wingolf auf, für die Knechte und Sklaven hat Thor einen Mlatz, die 
Feigen dagegen, welche nie einen Feind erschlagen haben, kommen zu 
Hela, wo Nacht und Graus, Hunger und Kälte ihr Lohn sind. Die 
von den Wellen Verschlungenen haben das gleiche glückliche Loos, wie 
die in der Schlacht Gefallenen; daher kennen die Normannen keine Furcht 
vor Sturm und Wogen; diesen zu trotzen oder in ihnen unterzugehen, 
Todeswunden zu schlagen oder zu empfangen, ist das Schönste, was 
dem Normannen zu Theil werden kann. In Walhalla erwartet er mit 
den Göttern den letzten Vernichtungskampf; denn es kommt das Ende 
dleser Zeit (die Götterdämmerung), das vorher durch die Verderbtheit 
des Menschengeschlechts sowie durch Erschütterung des Naturganges an- 
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