Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

210 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
Heinrich II. (1154 - 1189). 
Die Konstitutionen von Klarendon. 
Nach seinem Tode (1154) bestieg der Plantagenet Heinrich II. ohne 
Widerstand den Thron; sein väterliches Erbe, Anjou und Maine, hatte 
er durch seine Vermählung mit der geschiedenen Königin Eleonore (s. 
oben S. 206) mit Guyenne und Poitou vermehrt, die Normandie hatte 
er erobert, so daß er noch mächtiger dastand als Wilhelm der Eroberer. 
Dieser Heinrich II. (1154—1189), ein Zeitgenosse des Kaisers Fried- 
rich I., war demselben in vieler Beziehung ähnlich, doch gewaltthätiger 
und rücksichtsloser, in seinem Privatleben aber keineswegs so tadellos 
wie der hochsinnige Hohenstaufe. Auch er gerieth mit dem Papste in 
Konflikt, indem er 1164 durch die sogenannten Konstitutionen von Kla- 
rendon die Rechte der Kirche zu vernichten drohte. Diesen Konstitutionen 
zufolge waren die Geistlichen den königlichen Gerichten gänzlich unter- 
worfen, der König selbst die höchste Instanz; ohne königliche Erlaubniß 
durfte kein Bischof in das Ausland reisen, kein königlicher Vasall ge- 
bannt oder erkommuniciert werden; die Entscheidung, ob ein strittiges 
Gut weltliches Lehen sei oder der Kirche gehöre, fiel einem Gerichte von 
zwölf Geschworenen anheim; die Besitzungen der Bischöfe sollten als 
königliche Lehen den weltlichen Baronieen gleichgestellt sein, die Einkünfte 
der erledigten Bisthümer und Abteien bis zu ihrer Wiederbesetzung dem 
Könige zufallen, die Wahlen für dieselben durch vom Könige ernannte 
Geistliche in dessen Gegenwart und mit dessen Zustimmung vorgenom- 
men werden, und der Gewählte sollte den Lehenseid schwören. 
Thomas Becket (1170). 
Der Erzbischof von Kanterbury, Thomas Becket, trat für die kirch- 
lichen Rechte in die Schranken, wurde aber von dem Könige aus Eng- 
land verbannt (1165) und mehrere hundert unschuldige Verwandte und 
Freunde desselben, selbst deren Weiber und Kinder, traf dasselbe Schicksal. 
Durch die Vermittlung des Papstes kam ein Vergleich zu Stande, der 
Erzbischof kehrte (1170) nach England zurück, erbitterte aber den König 
neuerdings, als er einige von dessen gewaltthätigsten vornehmen Dienern 
mit dem Banne belegte. Im Zorne rief Heinrich II. einmal aus: „Ist 
denn unter den Feiglingen, die mein Brot essen, keiner, der mich von dem 
feindseligen Menschen befreite 7“ Vier Ritter eilten alsbald fort und er- 
mordeten den Erzbischof mit vielen Streichen an dem Altare seiner Kirche 
(29. Dezember 1170). Ein allgemeiner Aufschrei des Entsetzens war die 
Folge des uncrhörten Frevels, und als der Papfst einschritt, sah sich der 
König zur strengsten Kirchenbuße und zur Zurücknahme der Konstitutionen 
von Klarendon genöthigt.
	        
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