Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

266 Deutschland und Ztalien sinken. 
Die goldene Bulle (1356). 
Eines jedoch that Karl IV. für Deutschland; er ordnete die Kaiser- 
wahl, die schon so oft der Anlaß von Zwistigkeiten und Krieg gewesen 
war, und nahm auch einige Bestimmungen wegen des Landfriedens auf, 
der sehr nothwendig war, denn der Kaiser durfte im Eingange Deutsch- 
land mit einer Räuberhöhle vergleichen. Die Bulle (von dem ange- 
hängten goldenen Siegel die goldene genannt) verordnet: Wenn der 
Thron erledigt ist, lädt der Mainzer Erzbischof, der Kurerzkanzler des 
Reichs, binnen drei Monaten zur Wahl nach Frankfurt; versäumt er 
es, so kommen die Kurfürsten uneingeladen nach Frankfurt. Erscheim 
ein Kurfürst nicht und läßt sich durch keinen Bevollmächtigten vertreten, 
so verliert er für diesesmal seine Wahlstimme. Kurfürsten sind: 1) der 
Erzbischof von Mainz, Kurerzkanzler von Deutschland, 2) der von Trier, 
Kurerzkanzler von Burgund, 3) der von Köln, Kurerzkanzler von Zta- 
lien, 4) der König von Böhmen (wenn er von Geschlecht ein deutscher 
Mann ist), Erzschenk, 5) der Pfalzgraf bei Rhein, Erztruchseß (Bayan 
verlor also die Kurstimme, welche ihm der wittelsbachische Hausvertrog 
von 1329 abwechselnd zu führen gab), 6) der Herzog von Sachsen 
(Wittenberger Linie), Erzmarschall (mit Ausschluß der Lauenburgischen 
Linie), 7) der Markgraf von Brandenburg, Erzkämmerer. Die goldene 
Bulle gewährleistet den Kurfürsten ihre Kurlande als untheilbare Reichs- 
lehen; bei den weltlichen Kurfürsten sollen sie sich nach dem Rechte der 
Erstgeburt vererben, und würde der Nachfolger noch minderjährig (nicht 
18 Jahre alt) sein, so steht dem ältesten Verwandten nach der Ordnung 
der Erbfolge die Vormundschaft zu. Die Kurfürsten erhalten das 
privilegium de non evocando, d. h. ihre Untergebenen können in 
keinem Fakle vor ein Gericht außerhalb des Kurfürstenthums geladen 
werden; sie haben in ihrem Gebiete das Münz-, Berg= und Salzregal, 
auch den Judenschutz. Die Kurfürsten sind dem Range nach die erßten 
Fürsten des Reiches; wer etwas gegen sie unternimmt, soll so angesehen 
werden, als habe er es gegen den König selbst gethan. Dieselben 
sollen jährliche Versammlungen zu des Reiches Wohl abhalten und 
mit dem Könige, wenn ein solcher vorhanden ist, Beschlüsse fassen. 
Während eines Interregnums sollen der rheinische Palzgraf am 
Rhein, in Schwaben und so weit Frankenrecht gilt, der Herzog von 
Sachsen aber in den Landen, wo Sachsenrecht gilt, Reichsverweser 
sein. Ein großer Theil der Bulle befaßt sich endlich mit den Cerc- 
monien und Diensten, welche die Erzwürdenträger zu üben und zu 
leisten haben. 
So besaß Deutschland eine Wahlordnung und eine Art Verfassung; 
am besten stellten sich durch dieselbe die Kurfürsten, die nun jedes Recht
	        
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