Kaiser Wenzel. Der Sempacher Krieg. 277
Luzern und die Waldstädte begannen ihn auf eigene Faust, und als ver
Herzog gegen sie anrückte, mahnten sie die Städte laut der Bünde.
Mit dem Kerne seiner Kriegsmacht wandte sich Leopold gegen das ab-
gefallene Sempach, fest entschlossen, die verwegenen Bauern, die ihm
seine eigenen Unterthanen abtrünnig machten und ihn zum Kriege her-
ausforderten, für immer zur Ruhe zu bringen. Der ganze süddeutsche
Adel hielt es für Ehrensache, die am Morgarten erlittene Schmach aus-
zulöschen und blutig zu beweisen, daß der Bauer dem Ritter nicht ge-
wachsen sei. Bei Sempach lagerte der Herzog; die Eidgenossen, viel-
leicht zur Hälfte so stark als das herzogliche Heer, standen auf den
nahen Anhöhen, gedeckt durch Gehölze. Die Ritter stiegen von den
Rossen, was eine Herausforderung an den Feind war. Dicht gedrängt
stellten sie sich auf, wie eine eherne Mauer, die Eidgenossen aber be-
schloßen den Angriff, sobald sie die Ritter absteigen und die Knechte die
Rosse hinter die Linie führen sahen. Sie knieten nieder und beteten
mit ausgebreiteten Armen fünf Vaterunser und Ave Maria, wie es bei
ihnen Gebrauch vor der Schlacht war. Dann bildeten sie ihre keil-
förmige Schlachtordnung und flürzten im Sturmlaufe auf die eherne
Reihe der adeligen Herren, hoffend dieselbe durch die Gewalt ihres
Stoßes zu durchbrechen. Aber sie prallten ab, die Ritter standen felsen-
fest; vergebens versuchten sie Schlag und Stich, die Ritter durchstießen
mit ihren Spießen jeden, der ihnen nahe zu kommen wagte; schon la-
gen sechszig der tapfersten und vornehmsten Eidgenossen niedergestreckt
und noch kein einziger Ritter. In dieser Noth rief der ritterliche Unter-
waldner Arnold von Winkelried: „liebe Eidgenossen, ich will euch eine
Gasse machen; sorget für mein Weib und meine Kinder und vergesset
meines Geschlechtes nicht!“ dann ftürmte er auf den Feind, ergriff mit
seinen starken Händen die feindlichen Speere und sank zu Boden, die
Speere mit niederdrückend, mit welchen der Feind seine Brust durch-
bohrt hatte. (Ein österreichischer Ritter hatte in einem Kampfe gegen
die Berner unter Kaiser Rudolf dasselbe gethan.) Bevor aber die
Speere sich wieder erhoben, waren seine Waffengefährten über seinen
Leib hinweg an den Feind gerannt, brachen durch die Gasse ein und
sprengten eine Lücke in die Schlachtordnung. Andere drängten nach, die
Lücke wurde erweitert; vergebens suchten die Ritter ihre Linie wieder
zu schließen, es mangelte ihrer Phalanr die Gliederung und Beweglich-
keit dazu; sie hatten den Feind nun im Rücken und vor sich, und die
Bauern schlugen mit ihren schweren Schwertern, ihren Hellebarden und
Morgensternen auf die bepanzerten Herren, daß es krachte und klirrte
und einer nach dem andern in sein Blut stürzte. In ihren schweren
Rüstungen konnten die Herren weder eine rasche Wendung machen, noch
den leichtbewaffneten, schnellen Bergleuten entfliehen. Das Panner von