Zerrüttung Frankreichs unter Karl VI. Englische Zustände. 311
Behntes Kapitel.
TSerrünung Frankreichs unter Karl VI.
Frankreich hatte unter Karl VI. (1364—1380), für welchen du
Guesklin die meisten Besitzungen der Engländer eroberte, sich nur erholt,
um wieder eine Beute innerer Zwietracht und zum Schauplatze engli-
schen Kriegsruhmes zu werden. Karl VI. (1380—1422) verfiel 1392
in Wahnsinn, der während seines ganzen übrigen Lebens nur durch
längere und kürzere lichte Zwischenräume unterbrochen wurde. Nun strit-
ten sich die Herzoge von Burgund und Berry, seine Oheime, bald auch
der Herzog Ludwig von Orleans, sein Bruder, um die Regentschaft,
und zerrütteten Frankreich; die Verwirrung steigerte sich zum förmlichen
Bürgerkriege, als Herzog Johann der Unerschrockene von Burgund den
Herzog von Orleans ermorden ließ (24. November 1407). Der Adel
theilte sich in eine burgundische und in eine orleanistische Partei, für
welche besonders der Graf d'Armagnak zu handeln vorgab; letztere wurde
bald durch die Partei des Dauphins ersetzt, seitdem dieser die Regent-
schaft ansprach und als Hauptgegner des Herzogs von Burgund auftrat.
Alle Uebel der Anarchie und des Kriegs lasteten so schwer auf Frank-
reich, daß das verzweifelnde Landvolk zu den Waffen griff, aber da-
durch sein Loos nur verschlimmerte, und in den größeren Städten, be-
sonders in Paris, die siegende Partei eine blutige Schreckensherrschaft
ausübte. Die englischen Könige Richard II. und Heinrich IV. schloßen
zwar keinen endgiltigen Frieden, erneuerten aber den Waffenstillstand
nach wenig ernsthaften kriegerischen Unternehmungen jedesmal wieder,
unterließen es jedoch nicht die Wirren in Frankreich durch ihre Machi-
nationen zu unterhalten und möglichst zu steigern. Aber auch die eng-
lischen Zustände gestalteten sich gleichzeitig fast eben so traurig.
Englische Justände (1397—1413).
Bei dem Tode Eduards III. war der Thronerbe Richard, der Sohn
des schwarzen Prinzen, erst 11 Jahre alt und stand unter der Vormund-
schaft seiner Oheime, welche mit den mächtigsten geistlichen und welt-
lichen Herren alle Gewalt an sich rißen, so daß das Königthum nur
mehr dem Namen nach vorhanden war. Endlich gelang es Richard II.
diese Partei zu stürzen (1397); allein er machte sich durch Gewalttha-
ten und Erpressungen allgemein verhaßt, und als er gegen die irischen
Könige oder Häuptlinge zu Feld zog, kehrten die verbannten Prinzen
aus Frankreich zurück und fanden bei der Adelspartei Anhang. Ri-
chard II. wurde von seinen Rittern verlassen und verrathen, und Hein-
rich von Lankaster (der Sohn jenes Oheims von Richard II., der zuerst