Kaiser Ludwig I., der Fromme. 81
Zerrüttung des kaiserlichen Hauses und des Reichs (829—840).
Lothar, Mipin, Ludwig, Karl.
Ein Jahr nach dem Reichstage zu Aachen starb (818) die Kaiserin
Irmengard, welche ihren Gemahl besonders gegen Bernhard erbittert
haben soll; Ludwig trug sich zuerst mit dem Gedanken Mönch zu wer-
den, heirathete aber 819 Judith (wahrscheinlich aus dem altdeutschen
Namen Jutta in den biblischen umgewandelt) aus dem uralten in
Schwaben und Bayern reichbegüterten Geschlechte der Welfen, welche
823 einen Sohn Karl (den Kahlen) gebar, für dessen Ausstattung nun
nachträglich zu sorgen war, was nur auf Kosten der drei älteren Söhne
geschehen konnte. Seine Mutter, welche den Kaiser leitete, selbst aber
den Herzog Bernhard von Septimanien zum vertrautesten Rathgeber
hatte, war dafür unablässig bemüht und gewann Lotharn, den designierten
Kaiser, daß er (820) in eine Aenderung des Theilungsvertrags von
817 einwilligte, vermöge welcher Karln Alemannien, Rhätien und ein
Tbeil Burgunds zubeschieden wurde.
Allein Lothar bereute seine Zustimmung bald. Er hatte sie ledig-
lich in der Voraussetzung gegeben, er werde die Gunst seines schwachen
Vaters zu selbstsüchtigen Zwecken ausbeuten können; als er aber sah,
daß Judith und Bernbard, der seit 829 auch kaiserlicher Schatzmeister
war, den Kaiser nach wie vor beherrschten, beförderte er den Anschlag
seines Bruders Pipin gegen den Vater. Mit mehreren fränkischen
Großen einverstanden überfiel diesen Pipin 830 mit seinen Aquitaniern,
nahm ihn mit Judith gefangen, konnte sich jedoch Bernhards nicht
bemächtigen, der nach Septimanien entsloh. Ludwig wurde wie ein
Gefangener bewacht, Judith in ein Kloster gesperrt, worauf auch Lothar
aus Italien herbeieilte und eine Oberherrschaft geltend machte, welche
Mpin und Ludwig, der sich mit seinen Deutschen auch eingestellt hatte,
sowie die Mehrzahl der Großen sehr erzürnte. Dieser Wendung ver-
dankte es der Kaiser, daß er Freiheit und Frau wieder erhielt und
auf einem Reichstage zu Nymwegen feierlich in seine Rechte wieder
eingesetzt wurde (830).
Er blieb sich jedoch in seiner Schwäche gleich und deßwegen begann
auch der ebenso ärgerliche als verderbliche Hader aufs neue; der Sohn
Ludwig bemächtigte sich 831 Alemanniens, wurde aber von dem Vater
an der Spitze eines Heeres zur Verzichtleistung und Abbitte genöthigt;
auch Pipin, der sich durch Judiths Ränke am meisten bedroht wußte,
empörte sich, wurde verhaftet, entkam jedoch, und als Aquitanien ihm
durch den Vater abgesprochen und Karl dem Kahlen zugesprochen wurde,
verbanden sich die drei älteren Söhne und führten ihre Heere an den
Oberrhein (833); der Kaiser lagerte ihnen gegenüber, wurde aber von
Bumüller, Mittelalter. 6