Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Theilungsvertrag zu Verdun. 83 
wollte Ludwig und Karl ihres Erbtheils berauben, zu welchem Zwecke 
er sich mit dem Aquitanier Pipin verband. Allein der Theil seines 
Heeres, welchen er gegen Karl den Kahlen an der Seine zurückließ, 
wurde von diesem geschlagen, und als er sich nun gegen Karl wandte, 
zersprengte Ludwig das von ihm zurückgelassene Heer in einer Schlacht 
auf dem Ries (schwäbische Ebene, von der Wernitz bewässert, an der 
Gränze zwischen Schwaben, Bapern und Franken) vollständig (Mai 
841), ging bei Worms über den Rhein und vereinigte sich unweit Toul 
mit Karl dem Kahlen. Beide lieferten am 25. Juli bei Fontenaille 
(Fontanetum) unweit Aurerre Lotharn eine 14stündige Schlacht, in 
welcher dieser besiegt und der austrasische Heerbann fast aufgerieben 
wurde (40,000 Mann todt). Nur widerstrebend und auf günstige Zwi- 
schenfälle lauernd bequemte sich Lothar zu Unterhandlungen; er wiegelte 
sogar die Sachsen gegen Ludwig auf, indem er ihnen die Wiederher- 
stellung des Gesetzes ihrer Bäter, wie es vor Karl dem Großen bestand, 
versprach und die Frilinge und Liten gegen die Edelinge hetzte, als ihm 
diese nicht mehr anhingen (Aufstand der Stellinga); ja er zog die 
normanischen Seeräuber herbei und räumte ihnen die Insel Walchern 
ein. Endlich sah er sich, weil die Völker des Krieges überdrüssig waren, 
dennoch zu einem Vergleiche mit seinen Brüdern genöthigt, der im August 
843 zu Verden (Verdun) zu Stande kam. 
Lothar behielt mit dem Kaisertitel Italien, den südlichen Theil von 
Rhätien und Norikum, von Heloetien die heutigen schweizerischen Kan- 
tone Wallis, Genf, Waadt, Freiburg, Neuenburg, Bern, Solothurn, 
Aargau jenseits der Aare, Basel; den Länderstreifen an der Rhone bis 
zum Genfersee, nordwärts den zwischen Saone, Maas und Schelde 
einerseits und dem Rhein andererseits; diesseits des Rheins noch Fries- 
land. Ludwig bekam Deutschland diesseits des Rheins, jenseits des- 
selben die Bisthümer Mainz, Worms und Speper, den nordöstlichen 
Theil von Helvetien und Rhätien; Karl endlich den von Lothars Herr- 
schaft westlich gelegenen Theil des Reiches (Neustrien, Aquitanien, ein 
Stück von Burgund, die spanische Mark), mußte aber noch längere Zeit 
mit dem Aquitanier Pipin kämpfen. 
Daß diese Theilung wohl die Oberherrlichkeit des Kaisers Lothar 
über die königlichen Brüder aufhob, aber keineswegs die deutschen und 
romanischen Völker auseinander schied, ergibt der Augenschein, obwohl 
sich in der Folge der Theilung der Gegensatz zwischen deutsch und roma- 
nisch rascher entwickelte; auch lag dem Vertrage von 843 der Gedanke, 
Karls des Großen Reich dauernd in drei Reiche aufzulösen, nicht ent- 
fernt zu Grunde; es bestand vielmehr das Erbrecht der drei karolingi- 
schen Dvnastieen im Falle des Aussterbens der einen oder andern fort, 
woraus wir neue Theilungen, eine kurz dauernde Wiedervereinigung 
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