Die westfränkischen (französischen) Karolinger. 85
Seine drei Söhne Ludwig II., Lothar und Karl theilten das väter-
liche Reich; Karl starb kinderlos 863, Lothar 869 und sein Land (Lo-
tharingien nach ihm genannt, welcher Name nur einem kleinen Theil
desselben blieb) tbeilten Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche so
mit einander, daß die Gränzlinie zwischen der Mosel und Maas hin-
lief, von Lüttich an aber der Maas folgte. Der dritte Sohn Lothars,
Ludwig II., welcher den Kaisertitel führte und der berechtigte Erbe war,
konnte seine Ansprüche nicht geltend machen, weil er in Unteritalien mit
den Arabern vollständig beschäftigt war; er entriß denselben 871 Bari,
wurde aber bald nachher von dem Herzog von Benevent verrätherisch
so lange gefangen gehalten, bis er ihm eidlich die alten Privilegien
des Herzogthums Benevent zugesichert hatte. Ludwig ll. starb 875
ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen.
Die westfränkischen (französischen) Karolinger (843—987).
fKarl der Kahle.
Karl der Kahle (843—877) unterschied sich von seinen Brüdern
durch eine gewisse Neigung zur Gelehrsamkeit sowie durch gänzlichen
Mangel an kriegerischem Muth; an Treulosigkeit und Ländergier war
er ihnen ebenbürtig. Wie ihm die Eroberung Aquitaniens und eines
Tbeils von Lothringen gelang, ist eben erzählt worden; nach Kaiser
Ludwigs II. Tod eilte er 875 nach Italien, ließ sich von dem Payste
Johann VIII., der auf seiner Seite war, zum Kaiser krönen (als solcher
ist er Karl II.), und lief so Ludwig dem Deutschen, der als ältester
Karolinger das nächste Recht auf die Kaiserkrone hatte, den Rang ab.
Dafür unternahm Ludwig einen Feldzug gegen Neustrien und es war
für Karl den Kablen ein großes Glück, daß sein Bruder bald darauf
starb (August 876). Nun wollte er am Rheine zugreifen und kam mit
seinem Heere ohne Widerstand zu finden bis Köln; aber seine Freude
war von kurzer Dauer, denn schon im Ofktober desselben Jahres wurde
er von Ludwig, Ludwigs des Deutschen zweitem Sohne, bei Andernach
vollständig geschlagen und floh binter die Maas zurück. Das folgende
Jahr zog er auf den Hilferuf des Papstes Jobann VIII., der durch die
römischen Großen und die Araber bedrängt wurde, nach Italien; als
er aber in der Lombardei ankam, mußte er hören, daß Ludwigs des
Deutschen ältester Sohn, der kriegerische Karlmann, mit einem starken
Heere im Anzuge sei, worauf er so schnell als möglich abzog.
Während Karl der Kahle seine Hand nach Lothringen und Jtalien
ausstreckte, vermochte er nicht einmal seine Erblande zu vertheidigen.
Die Bretagne machte sich unter eigenen Herzogen gänzlich unabhängig
und die Normannen plünderten und verwüsteten einen großen Theil
Neustriens auf unerhörte Weise.