104 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c.
den Berufes aufmerksam gemacht. Als Novize bringt er zwei Jahre in
Einsamkeit und Gebet zu, und jedes Studium bleibt ihm untersagt.
Hierauf studiert er zwei Jahre Rhetorik und Literatur, hierauf drei Jahre
Philosophie, Mathematik und Physik, dann unterrichtet er fünf bis sechs
Jahre von den unteren Klassen aufwärts dienend. Erst jetzt beginnt er
das Stubium der Theologie, beendet es in vier bis sechs Jahren und
wird endlich zum Priester geweiht, nachdem er jedenfalls das dreißigste
Altersjahr zurückgelegt hat. Am Schlusse der langen Studienzeit unter-
zieht er sich einer strengen Prüfung, von deren Ergebniß die Zulassung
zur Ordensprofeß abhängt. Nach der Priesterweihe muß er noch ein
volles Jahr abgezogen von allem Studium dem Gebete und der Be-
trachtung leben; nur einige Christenlehren für Kinder und Missionen in
Dorfkirchen unterbrechen diese Askese. Erst jetzt erhält der Jesuite den
Grad, er wird als Professus ober Coadjutor spiritualis aufgenommen.
Die ganze Ordensgesellschaft besteht also 1) aus den Professen, aus denen
die Vorgesetzten gewählt werden; — 2) den Coadjutoren a) in geistlichen
Dingen, welche den Professen im Lehr= und Predigtamte zur Seite stehen;
b) in zeitlichen Dingen; Laienbrüder für Handarbeiten und den Dienst;
— 3) Scholastiker, die den Studien obliegen und noch keinen bestimmten
Grad erlangt haben; — 4) Novizen. Die ganze Gesellschaft gleicht
demnach einem wohlgeordneten Heere, dessen Disciplin, Subordination
und Tüchtigkeit unübertroffen dastehen. Die einzelnen Provinzialen be-
richten monatlich an den General, die Superioren der Profeßhäuser alle
Vierteljahre, ebenso die Rektoren der Kollegien. Den Kampf für die
Kirche Christi gegen Heidenthum, Irrlehre und Laster (dies war die
Aufgabe des Ordens) führten sie als Prediger, Beichtväter, Missionäre
und Jugendbildner. Zu diesen verschiedenen Berufen wurden die Mit-
glieder mit der größten Vorsicht und nur nach strenger Prüfung ausge-
wählt und jedem der Posten angewiesen, der seiner Fähigkeit und Gei-
stesrichtung angemessen erschien. Als Missionäre haben die Jesuiten
ganz Ausgezeichnetes geleistet und stehen unübertroffen, ja unerreicht da;
durch sie wurde das Christenthum in China, Japan und Ostindien
mit wunderbarem Erfolge verbreitet. Nicht minder groß war ihre Wirk-
samkeit in Amerika, und durch die Gründung des christlichen In-
dianerstaates in Paraguay hat sich der Orden ein Denkmal seiner
Begeisterung, Hingebung, Menschenliebe und staatsmännischen Weisheit
gestiftet, wie die Weltgeschichte kein zweites aufzuweisen hat (siehe unten
bei „Aufhebung des Jesuitenordens"“). Als Beichtväter und Prediger
entfalteten die Jesuiten eine ebenso gewaltige und erfolgreiche Thätigkeitz;
sie waren es hauptsächlich, welche im südlichen Deutschland der Refor-
mation mit geistigen Waffen entgegentraten und ihren Fortschritten Ein-
halt thaten. Man klagt sie an, daß sie auf Fürsten und Staatsmänner