108 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c.
Thun und Reden bleibt nur so viel als Thatsache stehen: Ferdinand
that, wozu er nach dem Majestätsbriefe das Recht hatte, die böhmi-
schen Herren aber warfen die Diener und Räthe ihres Königs zum
Fenster hinans, und daß dieselben nicht umkamen, dafür konnten die
.Gewaltthätigen nichts. Es war kein plötzlicher und unbedachter Ausbruch;
dieser kommt allenfalls bei dem gemeinen Volke vor, nicht aber bei einer
Aristokratie, wie die böhmische war, an deren Spitze Graf Thurn stand.
Dies zeigte die Folge; Thurn und seine Genossen richteten alsbald eine
provisorische Regierung ein, warben Truppen, verjagten den Erzbischof
von Prag und die Jesuiten, wandten sich jedoch nochmals an den Kaiser
Mathias. Dieser schwankie in alter Weise und hätte wahrscheinlich den
Böhmen nachgegeben, wenn Ferdinand es geduldet hätte. Er zog ein
kleines Heer unter Dampierre und Buquoi herbei, um den böhmi-
schen Rüstungen zu begegnen; doch richteten beide nichts aus, denn schon
war Ernst von Mansfeld mit 4000 Mann, die er mit fremdem Gelde
(savoylschem) geworben hatte, in Böhmen eingefallen, wo er Pilsen
eroberte, das neben Budweis und Kruman allein noch österreichisch war.
Am 20. März 1619 starb Mathias, und Ferdinand eilte nach Frankfurt,
um sich die Kaiserkrone zu sichern, die ihm auch am 9. September zu
Theil wurde, da die drei geistlichen Kurfürsten für ihn sein mußten und
Sachsen und Brandenburg durch Aussichten und Versprechen gewonnen
wurden. Unterdessen war Thurn in Mähren eingerückt und hatte es
zum Abfalle gebracht, und von da zog er nach Oesterreich, das nun auch
aufstand, während die Ungarn unter dem Siebenbürger Bethlen Ga-
bor sich zu einem Einfalle anschickten. Böhmen und Ungarn trafen vor
Wien zusammen, die österreichischen Stände bedrohten Ferdinand, der
Adel aller Provinzen war verschworen, Ferdinand schien zum Nachgeben
verurtheilt (was ihn später doch die Krone gekostet hätte), aber er blieb
standhaft. Von dem Drängen der österreichischen Ständedeputation ret-
tete ihn eine Abtheilung Kürassiere, die Dampierre geschickt hatte, Hun-
ger und Krankheiten setzten den Ungarn zu, und da Buquoi und Al-
brecht von Wallenstein, der 1000 Kürassiere geworben hatte, den
Mansfeld bei Pilsen geschlagen hatten, so wich Thurn wieder nach
Böhmen zurück. Nichtsdestoweniger verbanden sich die Stände von
Böhmen, Mähren, Schlesien, Lausitz, Ober= und Niederssterreich mit
einander und entsetzten Ferdinand der Regierung, indem sie von den
Holländern und dem Pfälzer gestachelt wurden. Am 27. August wurde
der 24jährige Friedrich V. von der Pfalz zu Prag zum König
von Böhmen erwählt, und auch Schlesien und Mähren huldigten
ihm. Die protestantischen Mächte anerkannten ihn, aber die Union un-
terstützte ihn nur schlecht, einmal weil er Kalvinist war und sodann schien
er ihnen zu hoch gestlegen. Rlchtsdestoweniger war Kaiser Ferdinands