Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

188 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs XIV. 2c. 
Ludwig erschien im Parlamente mit der Reitpeitsche, und dasselbe 
bezeigte auch ferner keine Lust mehr ein Veto gegen königliche Verord= 
nungen einzulegen. Er sprach: I'etat c'est moi (ich bin der Staat), 
und handelte auch so, als ob ganz Frankreich für ihn da wäre. Hun- 
derte und abermals Hunderte von Millionen verschwendete er für Hof- 
feste und Bauten, für Wollüste und deren Werkzeuge. So baute er 
das Schloß in Versailles, das nach seiner Idee alles übertreffen sollte, 
was jemals von einem Könige gebaut worden. Der ungeheure Palast 
wurde mit einem riesenmäßigen Parke umgeben; die Gegend ist wasser- 
arm, aber mehr als 20,000 Menschen wurden nun aufgeboten, die aus 
fernen Flüssen Kanäle herleiteten; denn im Parke sollten Wasserkünste 
springen, die ihresgleichen nicht in der Welt hätten. Wie viel Ver- 
sailles gekostet hat, läßt sich nicht leicht bestimmen, nach einer Angabe 
183 Millionen Franken. In den Tuilerien mochte sich der König nicht 
aufhalten, weil er von dort St. Denis vor Augen hatte, wo die fran- 
zösischen Könige begraben wurden; er thronte in Versailles in seiner 
Allmacht, umgeben von einem Heere adeliger und unadeliger Männer 
und Frauen, Prälaten und Soldaten, von Dichtern und Geschichtschrei- 
bern, Malern und Bildhauern, die ihn wetteifernd verherrlichten. Er 
hieß der Große, Cäsar und Augustus in einer Person, und was sonst 
die Schmeichelei der Franzosen alles erfinden mochte. 
Ludwig hielt auch zuerst große stehende Heere, welche er 
aus seinem Volke aushob; er stellte Heermassen in das Feld, wie man 
früher nie gesehen hatte, und darum behauptete er in seinen Kriegen 
so lange das Uebergewicht. Dadurch zwang er die andern Mächte, 
stehende Heere zu halten, wenn sie nicht immer in Gefahr sein wollten, 
von dem gerüsteten Nachbar wehrlos überfallen zu werden. So wur- 
den durch ihn die stehenden Heere in Europa allgemein; bald suchte 
es jeder Fürst dem andern zuvorzuthun, und kleine Staaten hielten in 
Friedenszeiten Heere, wie man sie sonst kaum im Kriege gesehen hatte; 
Soldaten wurden zur fürstlichen Liebhaberei, welche das Mark der Län- 
der verzehrte. 
Ludwig erschöpfte durch seinen Lurus, durch seine Kriege und Heere 
das große und reiche Frankreich in der Weise, daß er mehr als 2000 
Millionen Franken Schulden zurückließ, während der Wohlstand ganzer 
Provinzen vernichtet war. Mehr noch als die hartgedrückten Bürger 
litten die Bauern, die mit Steuem überbürdet wurden, und als 1709 
zu dem Kriegselende noch ein so streuger Winter einfiel, daß Wild und 
Vögel erfroren, Weinreben, Oel= und Nußbäume erstarben und die Saat 
durch den Frost zu Grunde ging, so folgte eine Hungersnoth, in welcher 
das gemeine Volk fast verschmachtete. Doch blieb es ruhig, denn es 
glaubte selbst, daß es für des Königs Masjestät da sei.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.