Der Reichstag zu Worms. 9
Eindruck auf ihn, daß ihn seine natürliche Kühnheit verließ; als er sich
über seine Lehre unzweideutig erklären sollte, begehrte er Bedenkzeit, was
ihm bittern Tadel zuzog. Am 18. April wieder vor den Reichstag
geladen bekannte er sich offen als Verfasser der Schriften, die unter
seinem Namen ausgegangen waren, und als er widerrufen sollte, sprach
er, er thue es nicht, man widerlege ihn denn zuvor aus der heiligen
Schrift, oder mit öffentlichen, hellen und klaren Gründen und Ursachen,
denn, fuhr er fort, „ich glaube weder dem Papste noch seinen Koncilien,
weil es offenbar und am Tage ist, daß sie sich oft geirret und einander
selbst widerlegt. Da ich von den Sprüchen, die von mir angeführt und
angezeigt sind, überzeugt bin, und mein Gewissen in. Gottes Wort ge-
fangen ist, so kaun ich und will ich nichts widerrufen, weil weder sicher
noch gerathen ist, etwas wider das Gewissen zu thun. Hier stehe ich,
Gott helfe mir, ich kann nicht anders. Amen.“ Mit Willen des Kai-
sers, auf den Luthers Person einen sehr ungünstigen Eindruck gemacht
hatte, wurde mit ihm noch gütlich am 24. April unterhaudelt, allein
alle Versuche schlugen fehl. Am 26. April reiste Luther ab, mehrere
Fürsten und Reichsstände thaten dasselbe, und am 8. Mai sprach der
Kaiser die Reichsacht über Luther aus und verbot dessen Schriften (Wormser
Erikt). Luther selbst wurde auf seiner Heimreise auf Anordnung seines
Kurfürsten von verkappten Reitern aufgehoben (er war zum voraus unter-
richtet) und auf die Wartburg gebracht, wo er als Junker Jörg lebte,
auch wohl in den umliegenden Wäldern jagte. Hier besckäftigte er sich
bereits mit der Uebersetzung der Bibel, die bis 1534 vollendet wurde,
in sprachlicher Beziehung ein Meisterstück, aber vielfach nicht getreu und
mit Einleitungen und Anmerkungen versehen, welche in der feindseligsten
Weise gegen Kirche und Papst gerichtet sind; sie ist auch insofern mangel-
haft, als Luther im alten und neuen Testamente nlcht alle Schriften gelten
ließ, welche die Kirche als kanonisch erklärt. Auf der Wartburg schrieb
er auch gegen die Universität Löwen, gegen den Theologen Latomus,
gegen die Messe, das Bußsakrament, gegen die Ehelosigkeit der Getstlichen,
gegen die Mönchsgelübde u. s. w.
Der Kaiser kehrte nach dem Schlusse des Reichstags zu Worms
nach Spanien zurück, wo gefährliche Unruhen ausgebrochen waren; für
die Dauer seiner Abwesenheit war ein Reichsregiment eingesetzt, das
aus seinem Bruder Ferdinand als Reichsverweser und 22 Bessitzern
bestand, deren acht von dem Kaiser, die übrigen von den Reichsständen
erwählt wurden; es sollte über Landfrieden und Recht, sowie über An-
fechter des christlichen Glaubens beschließen; der Entscheidung des Kai-
sers blieben vorbehalten: Fahnenlehen, wichtige Staats= und Justiz--
sachen, auswärtige Bündnisse.