204 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs XIV. ⁊c.
Ingermanland, Esthland, Livland und den größten Theil von Karelien
ab gegen zwei Millionen Thaler Entschädigung.
So mußte Schweden von seiner hohen Stellung, auf die es Gu-
stav Adolf, Karl X. und XI. erhoben hatten, heruntersteigen, aber es
bewies sich dabei als eine achtungswerthe Nation. Man berechnet, daß
über 400,000 Jünglinge und Männer von 1700—1719 durch den Krieg
hinweggerafft wurden und doch konnte Karl XII. noch bei seinen letzten
Anstrengungen 70,000 Streiter gegen seine Feinde verwenden. So auf-
opfernd zeigte sich die Nation und so ergeben war sie ihrem Könige,
daß nirgends von einem Volksaufstande die Rede ist, obwohl in weiten
Bezirken nur Weiber, Kinder und Greise das Feld bebauten, weil alle
waffenfähige Mannschaft unter die Fahne gerufen war.
Rußland unter Peter dem Großen. Ercberungspolitik.
Seit Karl XII. den Zaren über Polen und Sachsen aus den Augen
gelassen hatte und endlich nach kurzem Kampfe unterlegen war, baute dieser
rastlos aber nach einem sichern Plane an der Größe der russischen Mon-
archie weiter. Das baltische Meer betrachtete er als die Pforte Ruß-
lands gegen Europa; wenn er sich der Herrschaft über dasselbe be-
mächtigte, so wurden Schweden und Dänemark der russischen Politik
dienstbar und sein Einfluß auf Polen und das nordöstliche Deutschland
maßgebend. Darum baute Peter eine Flotte ron 41 Kriegsschiffen und
legte in Kronstadt einen unangreifbaren Kriegshafen an. Seine folgen-
reichste Schöpfung ist aber die Stadt St. Petersburg. Auf einem mo-
rastigen Boden gründete er diese Residenz; von mehr als 100 Stunden
weit zog er Leibeigene herbei, welche in harter Frohne den sumpfigen Boden
austrocknen und gewaltige Granitdämme gegen die Ueberschwemmungen
der Newa aufführen mußten; seine Bojaren aber verpflichtete er zum Häu-
serbau und zum zeitweiligen Aufenthalt in der neuen Residenz. Denn Mos-
kau blieb wohl die Hauptstadt, in Petersburg aber wohnte der Zar und zeich-
nete damit seinen Nachfolgern die Bahn vor, die sie gehen mußten. Aus
den Fenstern des Palastes sahen diese die Küsten von Finuland, das noch
schwedisch war, und Kurland, welches noch seine eigenen Herzoge hatte; woll-
ten sie in ihrem Schlosse sicher wohnen, so mußten sie sich Finnlands bemäch-
tigen und durch ihre Kriegsflotte das baltische Meer beherrschen. Dies ist
seitdem geschehen; noch Katharina II. hörte im Kriege mit Gustav III. in
ihrem Palaste jeden Kanonenschuß der fechktenden schwedischen und russi-
schen Flotten, aber heute ist Rußland die einzige Seemacht in jenen Ge-
wässern, und muß so lange in Peters Sinne fortfahren, bis es mit dem
Sunde die Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg
und seine Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein
englischer Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.