Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Rußland unter Peter dem Großen. 205 
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer. 
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich 
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er- 
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres auf eine 
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem 
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge 
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites 
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar. 
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem 
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg 
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden- 
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das 
horkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin- 
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser 
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet. 
Autokratie. 
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus- 
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterließ. Nach dem Frieden 
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit 
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei. 
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Regierung des Landes, er- 
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai- 
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen 
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch 
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro- 
päisch-organisierte Polizei mit der gehelmen Inquisitionskanzlei wachte 
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus- 
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so 
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person 
der Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange- 
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich 
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ 
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur 
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen 
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode 
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch 
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich- 
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen 
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel- 
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche. 
Peter ließ auch alle Erzbisthümer bis auf Kiew und Nowgorod ein-
	        
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