Rußland. Katharina II. 227
Vierzehntes Kapitel.
Rußlanb. Katharina II. (1762—1796).
Auf Katharina I. folgte des unglücklichen Alerei Sohn Peter I.
(1727—1730), diesem Iwans Tochter Anna, die Wittwe des kurlän-
dischen Herzogs Friedrich Kettler. Sie trat an den Schah Nadir, durch
welchen Persien unerwartet zu einer erobernden Macht wurde, die von
Peter I. gewonnenen persischen Provinzen ab (1734), und nahm ent-
schierenen Antheil an dem polnischen Thronfolgekrieg, wie oben erzählt
ist von 1736—1740 führte sie einen sehr blutigen Krieg mit den Tür-
ken, in welchem der oldenburgische Graf Münnich die russischen Heere
anführte, der 1736 die Perekoper Linien, 1737 Otschakow erstürmte, 1739
die Schlachten bei Stawutschane und Choczim gewann, die Moldau ero-
berte und zuerst den Türken jenen Schrecken vor den russischen Waffen
einstößte, der sie seitdem nie mehr verlassen hat; doch gewann Rußland
im Frieden von 1740 nur das von Peter I. wieder aufgegebene Asow,
weil Frankreich und England schon damals die Türkei gegen Rußland zu
schützen versuchten. Die Kaiserin ernannte Iwan, den Sohn ihrer Nichte
Anna, welche mit dem Herzoge Anton Ulrich von Braunschweig vermählt
war und nach dem Tode der Kaiserin (1740) und dem Sturze Birons
(welchen Günstling Anna zum Herzoge von Kurland und zum Reichsregen-
ten während Iwans Minderjährigkeit ernannt hatte) die Regentschaft führte,
zu ihrem Nachfolger. Die Regentin wurde aber schon im Dezember 1741
durch Peters I. jüngste Tochter Elisabeth gestürzt, ihr Sohn Iwan aber
in der Festung Schlüsselburg bewacht. Elisabeth entriß den Schweden Finn-
land bis an den Kymenefluß (1743) und nahm an dem siebenjährigen Kriege
gegen Preußen Antheil. Zu ihrem Nachfolger hatte sie den Sohn ihrer
Schwester Anna, der Gemahlin des Herzogs Christian Friedrich von Holstein=
Gottorp, ernannt, der im Januar 1762 als Peter III. den russischen Thron
bestieg. Wir kennen ihn bereits aus dem siebenjährigen Kriege als Frcund
Friedrichs des Großen;z er war wie die meisten seiner kronentragenden
Jeitgenossen mit der Großmannsucht behaftet; diese äußerte sich besonders
dakurch, daß die herkömmlichen Einrichtungen nicht bleiben durften, son-
dern Staat und Volk umgemodelt werden mußten. Peter III. erzürnte
bald die Russen durch Aenderungen im Staats= und Kirchenwesen, und
den Soldaten gefiel es nicht, daß alles nach preußischem Fuße einge-
nchtet wurde. Seine Gemahlin war die Prinzessin Sophle Auguste von
Anhalt-Zerbst, nach ihrem Uebertritte zur griechischen Kirche Katha-
rina genannt. Sie wurde in der neuen Philosophie erzogen und bis
zu ihrem Lebensende von zwei großen Leidenschaften getrieben: Herrsch-
sucht und Wollust. Diesen opferte sie ihren rohen, schwachkepigen Ge-