Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Dissidenten und Konföderierte in Polen. Erste Theilung Polens. 229 
ihnen das Feld bauten, oder ihnen die Heerden der Rosse, Rinder und 
Schafe weideten; die Herren selbst vergnügten sich auf der Jagd in den un- 
geheuren Wäldem, praßten bei Gelagen oder reisten im Auslande, die we- 
nigsten befaßten sich mit der Verbesserung des Zustandes ihrer Bauern. 
In den Städten konnte der Bürgerstand niemals aufkommen, die Handels- 
geschäfte waren daher in den Händen der zahlreichen Juden, deßwegen hatte 
Polen auch keinen Gewerbsfleiß und blieb ein armes Land. Durch das Aus- 
sterben der Jagellonen wurde es 1572 ein förmliches Wahlreich. Der 
Adel wählte den König, dem alle Macht entrissen und nur der Name gelassen 
war; denn der König mußte vor allem die pacta conventa unterschreiben, 
welche es ihm verboten, einem Prinzen von Geblüte eine Würde zu ver- 
leihen, wodurch dieser Sitzund Stimme in dem Reichstage erhalten hätte; 
er durfte keine Ländereien kaufen und sich keine konfiscierten Güter aneignen. 
Die höchste Gewalt blieb bei dem Reichstage, der aus den höhern geist- 
lichen und weltlichen Würdeträgern und den adelsgen Deputierten der ein- 
zelnen Distrikte bestand; da galt das unsinnige Recht des liberum veto, 
dem zufolge das „Nein"“ eines einzigen Edelmannes jeden Beschluß ungiltig 
machte; der polnische Reichstag ist durch seine stürmischen Auftritte in 
Deutschland sprichwörtlich geworden. Das liberum veto hatte der Reichs- 
tag dem Könige Johann II. Kasimir (1648—1672) abgedrungen, 
welcher demselben vergebens den Untergang des Staates als nothwendige 
Folge einer derartigen Anarchle voraussagte. Dem liberum veto gegenüber 
hatte der Adel das Recht, zur Durchführung eines Beschlusses Konfödera- 
tionen oder Bündnisse zu machen, welche in der Regel zu Bürgerkriegen 
führten. So mußte Polen untergehen, obwohl es auf ungefähr 14,000 
Geviertmeilen 16 Millionen Einwohner zählte, der Adel kriegerisch war 
und eine treffliche Reiterel stellte, die rohen Bauern den besten Stoff 
zu einem Fußvolk darboten. Schon manchmal hatte Polen das Unheil- 
volle einer solchen Verfassung erfahren; mit Mühe erwehrte es sich der 
Schweden von Gustav Adolf bis auf Karl XII., und unter Peter I. hatte 
es bereits brutale russische Einmischung dulden müssen, nichtsdestoweniger 
blieb es bei seiner Verfassung. Selbst der edle Johannes Sobiesky 
(1674—1696), der in ganz Europa gefeierte Held, vermochte über die 
Parteien nicht so viel, daß ihn während seiner Feldzüge gegen die Türken 
und Tataren nicht ganze Heeresabtheilungen unter der Anführung eines 
Großen, z. B. des Grafen Pac, verließen, und daß Polen (1699) seine 
verlorenen Landstriche in Podolien und der Ukraine von den Türken zu- 
rückerhielt, verdankte es nur dem Siege der österreichischen Waffen. Wie 
verderblich Polen die Theilnahme Augusts II. (1696—1733) an dem 
nordischen Kriege war, ist oben bereits erzählt worden; unter dem glei- 
chen Könige erfuhren die Rechte der Dissidenten 1717 eine beträcht- 
liche Schmälerung, was sich 1737 unter seinem Nachfolger August III.
	        
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