Josef II. und die Kirche. 241
das von dem Grundstocke der österreichischen Monarchie getrennte Bel-
gien gegen Frankreich nicht gehalten werden, der Barrierentraktat war
deßwegen ein Unterpfand der holländischen Allianz und demnach nicht
geradezu wegzuwerfen; überdies ließ nun der Kaiser die Festungen
schleisfen, als ob die französische Freundschaft ewig dauern werde. Er
konnte sich jedoch bald überzeugen, daß sein Schwager Ludwig XVI.
die Interessen Frankreichs im Auge behalte; Josef verlangte nämlich
von den Holländern die Oeffnung der Schelde, welche sie seit 1648 ge-
sperrt hatten, als das unmächtige Spanien noch die Niederlande besaß.
Seit dem Badener Frieden (1714) war Oesterreich im Besitze Belgiens,
hatte aber das holländische Recht die Mündungen der Schelde allen See-
schiffen zu verschließen anerkannt. Josef ärgerte sich billig, daß Holland
seinen Unterthanen die freie Schifffahrt auf dem eigenen Flusse und den
Verkehr mit der See sperren sollte und erklärte, es werde es nicht län-
ger dulden. Die Holländer beriefen sich auf den Vertrag und trotzten,
weil sie des englischen, französischen und preußischen Beistandes sicher
waren. Ein kaiserliches Schiff, das von Ostende herkommend in die
Schelde einsegeln wollte, brachten sie auf, ein anderes, das von Ant-
werpen flußabwärts fuhr, zwangen sie durch scharfe Schüsse zur Um-
kehr. Der Kaiser drohte mit Krieg, aber Frankreich duldete es nicht,
daß Ernst wurde, und vermittelte den Streit dahin, daß die Holländer
neun Millionen an den Kaiser bezahlten und nach wie vor die Schelde
sperrten. (Traktat zu Fontainebleau 1785.)
J—Nnni:
So endeten die Unternehmungen des Kaisers, seine Macht auf Kosten
des Auslandes zu vergrößern; er handelte in dieser Hinsicht wie Fried-
rich II. und Kathartna in dem Geiste jener „philosophischen“ Zeit, welche
die Türken und Polen mit Feuer und Schwert civilisierte und Rußland
nicht bloß an seiner Weltherrschaft weiter bauen ließ, sondern selbst noch
Bausteine herbeitrug. Josef diente aber auch in anderer Richtung dem
zerstörenden Zeitgeiste; diesem war die katholische Kirche am meisten zu-
wider, weil sie ihn am nachdrücklichsten hinderte, seine Herrschaft über
den Geist der Völker, das Reich der neuen „Aufklärung“ zu begründen.
Allerdings war Josef nicht ein Feind des Christenthums wie die philo-
sophische Armee, welche unter Voltaires Fahne diente, auch kein Ver-
öchter desselben wie Friedrich II., aber er schadete der Kirche durch seine
eigenmächtigen Reformationen fast mehr als ihre erklärten Feinde, denn
er störte ihre Ordnung und hemmte dadurch ihre eigene reformatorische
Macht. Er bewog schon seine Mutter, daß sie in die Aufhebung des
Jesuitenordens (1773) willigte, und als er Alleinherrscher war,
wählte er das Gebiet der Kirche vorzugsweise zum Felde einer unglück-
Bumiller, Neue Zeit. 6. Aufl. 16